: Uta Schorn
: Und wenn ich nüscht kann, bellen kann ich Autobiografie
: Neues Leben
: 9783355500685
: 1
: CHF 13.40
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Uta Schorn war schon auf den Brettern, die die Welt bedeuten, bevor sie geboren wurde - und wenn es nach ihrem Vater gegangen wäre, hätte sie ebendort auch das Licht der Welt erblickt. Für das Kind eines Schauspielerpaares aber war klar: die hohe Kunst des Spiels basiert nicht auf Talent allein. Dass sie davon reichlich hat, bewies sie nach ihrem Schauspielstudium am Theater, in Film und Fernsehen, auch als charmante, gewitzte Moderatorin. Als Chefsekretärin der Sachsenklinik und Mitglied der Patchworkfamilie des 'Dr. Kleist' in Eisenach wurde sie zum Publikumsliebling und Inbegriff einer selbstbewussten, so resoluten wie sensiblen Frau. In diesem Buch blickt Uta Schorn auf ihre Rollen zurück, erzählt amüsante Geschichten über die Begebnisse am Rande der Dreharbeiten, spricht über Begegnungen und die spannende Arbeit mit Kollegen, über Freundschaften wie die mit dem Schauspieler Ulrich Pleitgen, auch über Wege, die sich trennten. Sie hat ein zutiefst ehrliches Buch geschrieben, dem ihre Heiterkeit dem Leben gegenüber einen ganz eigenen, beschwingten Ton gibt.

Uta Schorn, geboren 1947 in Augsburg, wuchs in Ost-Berlin in einer Schauspielerfamilie auf. Sie studierte von 1966 bis 1970 an der Staatlichen Schauspielschule und begann Ihre Karriere am Berliner Maxim-Gorki-Theater. Ihre ersten Fernseherfahrungen sammelte Schorn 1969 im DDR-Spionagefilm 'Verdacht auf einen Toten' sowie in mehreren Folgen von 'Polizeiruf 110'. Häufig gab sie selbstbewussten Frauen, die ihren eigenen Weg gehen, ein Gesicht. Als Moderatorin des 'Wunschbriefkastens' begeisterte sie wöchentlich tausende Fernsehzuschauer, und nach ihrer Mitarbeit an der Serie 'Bereitschaft Dr. Federau' wurde sie zur beliebtesten Schauspielerin der DDR gewählt. Nach der Wende führte sie ihre Karriere im gesamtdeutschen Fernsehen fort. Ihre wohl beliebteste Rolle ist die der Chefarztsekretärin Barbara Grigoleit in der Erfolgsserie 'In aller Freundschaft', welche bis heute Millionen von Zuschauern begeistert. Noch etwas länger, 16 Jahre lang, war sie Teil der ARD-Produktion 'Familie Dr. Kleist'. Trotz ihrer TV-Karriere hat Schorn ihre Liebe zur Theaterbühne nie verloren. So spielt sie bis heute im Berliner Kriminaltheater in Wolfgang Kohlhaases und Rita Zimmers rabenschwarzer Komödie 'Fisch zu viert' mit. Uta Schorn lebt in Berlin-Müggelheim.

Quartier mit Tier

Verglichen mit den vorherigen Quartieren der Kleinstfamilie Schorn bot die Werlseestraße101 Ansätze von Bürgerlichkeit. Wir wohnten Hochparterre und erhielten später noch zwei Räume im Dachgeschoss über dem zweiten Stock. Vom Fenster meines Kinderzimmers dort oben ging der Blick auf das Wasserwerk Friedrichshagen – imposante rote Backsteinbauten, in die sich problemlos englische Landsitze oder Kloster hineinträumen ließen. Kein Zufall: Henry Gill, nach dessen Anregungen das Wasserwerk Müggelsee zwischen1889 bis1893 erbaut wurde, war Brite.

Ein fester Wohnsitz, der nicht nach der übernächsten Spielzeit schon wieder aufgegeben werden musste, das roch nach Sesshaftwerdung, nach ein bisschen Ruhe, die in unser Dasein einkehren könnte. Schauspieler unterscheiden sich da nicht wesentlich von anderen Leuten. Fahrendes Volk ist in den seltensten Fällen wegen der Romantik unterwegs.

In einer gesicherten Behausung wird bei Kindern nicht selten der Wunsch nach einem Haustier wach. So auch bei mir, aber meine Eltern konnten immer darauf verweisen, dass wir damit bereits seit kurz nach unserem Einzug gesegnet waren. Unsere Hausnummer, die101, stand auf einem aus drei Teilen bestehenden Hintergrund aus Milchglas. Nachts konnte das Licht dahinter eingeschaltet werden, sodass die Haustür auch für den späten Gast zu finden war. So jedenfalls ging der Plan. In Wirklichkeit war die Scheibe mit der Null zerbrochen, und hinter unserem Hausnummernschild nistete eine Rotkehlchenfamilie. Im Herbst, wenn die Blätter fielen und die Winde wehten, brach der ganze Clan auf, um, wie man heute weiß, im Mittelmeerraum oder im Nahen Osten zu überwintern. Diese Langstrecken-Grenzüberschreitung der ­Vogelfamilie war für mich damals nicht vorstellbar. Aber sonderbarerweise zog es sie im Frühjahr aus dem Nahen Osten auch immer wieder zurück in den fernen Osten Berlins. Und dort war die Freude groß.

Weil wir die Vögel nicht auseinanderhalten konnten, nannten wir sie alle Hansi. Einmal im Herbst, die Hansis waren bereits ausgereist, kam die Kommunale Wohnungsverwaltung, die unser Haus in der Werlseestraße bestreute, auf die durchaus lobenswerte Idee, unser Hausnummernschild reparieren zu lassen. Gedacht, gemacht. Schön und gut, aber die Einraumwohnung der abwesenden Rotkehlchenfamilie war durch diese Maßnahme für immer blockiert, und das konnten wir keinesfalls zulassen. Also stieg mein Vater nach der Reparatur kurzerhand auf die Leiter und entfernte die frisch installierte und raffiniert ausgeleuchtete mittlere Scheibe. Seine wohnraumlenkende Maßnahme zeitigte Erfolg.

Von da an gab es in unserem Haushalt auch andere Tiere. Die Praxis, unsere Eltern vor vollendete Tatsachen zu stellen, bewährte sich dabei mehrfach. Die Zoohandlung in Friedrichs­hagen hatte für mich etwa die Faszination, wie sie heute Klamottenläden auf Mädchen ausüben. Eines Tages überraschte der Zoohändler seine werte Kundschaft mit einer Tafel, auf der in weißer Kreide stand: »Weiße Mäuse eingetroffen!« Wahrscheinlich galt in der Mangelwirtschaft selbst das Eintreffen dieser Nagetiere als kleine Sensation. Für mich auf jeden Fall. Ich drückte mir die Nase an der Schaufensterscheibe platt – neben mir ein Junge aus meiner Klasse, vor dessen Umgang Lehrer und Eltern uns immer wieder nachdrücklich gewarnt hatten. Wahrscheinlich kam ich genau deshalb so gut mit ihm aus.

»Die dahinten ist am niedlichsten«, sagte ich.

»Welche?«, fragte er, und nachdem ich sie ihm noch einmal gezeigt hatte, ging er in den Laden und kaufte mir das süße Vieh.

Stolz trug ich die Maus nach Haus. Meiner Mutter reichte schon der kleine Karton, hinter dessen Luftlöchern es verheißungsvoll raschelte, um beinahe in Ohnmacht zu fallen.

»Das Tier muss weg«, hauchte sie, sich allmählich fassend, »die kommt raus!«

Natürlich hatte ich diesen Protest vorausgeahnt und eine schlüssige Argumentationskette vorbereitet. Die weiße Maus in dunkler Nacht – ein weithin hell leuchtendes Opfer für all ihre natürlichen Feinde. Konnte man das wirklich verantworten?

Meine Mutter bot einen Kompromiss an. »Morgen kommt sie weg!«, verkündete sie.

Sie glaubte wohl daran. Ihren Irrtum sah sie bald ein, als mein Vater einen größeren, komfortableren Karton mit Stroh auspolsterte und ein Schälchen Wasser hineinst