Kapitel 4
Als Nora mit Simon auf dem Gepäckträger durch den Hafen radelte, sah sie, dass ein Polizeihubschrauber auf der Landeplattform stand. Hinter der Dampfschiffbrücke hatte ein großes Polizeiboot an dem Platz festgemacht, der für das Arztboot reserviert war. Ein Polizist in der charakteristischen Uniform der Wasserschutzpolizei stand an Deck. Wie ungewöhnlich, so früh am Morgen derartig viel Polizei hier zu sehen.
Es musste etwas passiert sein.
Nora radelte an der Reihe kleiner Läden entlang, in denen man alles bekam, was das Herz an Segelkleidung, maritimen Einrichtungsgegenständen und Bootszubehör begehrte, und fuhr dann an der Rückseite des Klubhauses vorbei. Sie bog auf den schmalen Weg, der parallel zur Minigolfbahn verlief, und folgte ihm bis zum umzäunten Freibadgelände. Nachdem sie ihr Fahrrad hinter dem Eiskiosk abgestellt hatte, hob sie Simon vom Gepäckträger. Mit ihm an der einen Hand und dem Korb mit den Badesachen in der anderen duckte sie sich unter demGESCHLOSSEN-Schild hindurch und betrat die Schwimmschule.
In der einen Ecke standen einige Eltern und unterhielten sich aufgeregt, während die Kinder voller Vorfreude auf den Schwimmunterricht herumtobten. Nora stellte die Badesachen auf einen Liegestuhl und ging zu der Gruppe. Sie sah fragend in die Runde.
»Ist was passiert?«
»Hast du den Polizeihubschrauber nicht gesehen?«, erwiderte eine der Mütter. »Sie haben eine Leiche gefunden. Ist am Weststrand angeschwemmt worden.«
Nora schnappte nach Luft.
»Eine Leiche?«
»Ja, in ein Fischernetz verheddert, kannst du dir so was vorstellen? Der Tote lag anscheinend genau unterhalb von Åkermarks Haus.«
Sie zeigte auf eine andere Mutter, deren Sohn auch mit Simon in die Schwimmschule ging.
»Sie haben dort den ganzen Strand abgesperrt. Lotta wäre beinahe nicht durchgekommen, als sie mit Oscar hierherwollte.«
»War es ein Unfall?«, erkundigte sich Nora.
»Keine Ahnung. Die Polizei wollte nicht viel sagen, als Lotta gefragt hat. Aber ist das nicht entsetzlich?«
»Es ist doch hoffentlich keiner von der Insel? Jemand, der zum Fischen draußen war und über Bord gefallen ist?«
Nora blickte die anderen in der Gruppe erschrocken an. Einer der Väter ergriff das Wort.
»Ich glaube, keiner weiß irgendwas Genaues. Das ist wohl nicht so leicht festzustellen. Aber Lotta war ziemlich geschockt, als sie hier ankam.«
Nora setzte sich auf eine Bank am Beckenrand. Im Wasser klammerte Simon sich krampfhaft an ein orangerotes Schwimmbrett, während er sich abmühte, die Beinbewegungen richtig hinzukriegen. Nora versuchte, das unbehagliche Gefühl abzuschütteln, aber es gelang ihr nicht.
Unwillkürlich sah sie das Bild eines Menschen vor sich, der nach Luft schnappt, während er sich immer fester in ein Netz verstrickt, das ihn langsam auf den Grund zieht.
Im Westteil der Insel war es unwirklich still. Keine Morgenbrise kräuselte die Wasseroberfläche. Sogar die Möwen hatten mit ihrem üblichen Kreischen aufgehört.
Unten am Strand hatte die Wasserschutzpolizei bereits das Gebiet abgesperrt, in dem die Leiche lag. Ein paar Neugierige drängten sich hinter den Absperrbändern und verfolgten stumm das Geschehen.
Thomas begrüßte die Kollegen und ging zu dem Bündel, das am Wasser lag.
Es war kein schöner Anbli