: Roswitha Springschitz
: Clarissa Keine Prinzessinnengeschichte
: myMorawa von Dataform Media GmbH
: 9783991254737
: 1
: CHF 7.60
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: Erzählende Literatur
: German
2020: das Jahr der Einschnitte und Veränderungen. So auch für die 14-jährige Clarissa, deren Leben, in mehrfacher Hinsicht, heftig ins Wanken gerät: nicht nur durch eine Viruspandemie und deren Folgen, sondern auch durch Gewalt im engsten Familienkreis, die die Auflösung ihrer Familie zur Folge hat. Nichts wird mehr sein, wie es war. Clarissa ist nicht mehr das süße Prinzesschen ihrer Eltern. Aber Freundschaft und Liebe bieten ihr Halt, in dieser Zeit...

geboren in Wien, nach der Matura einjähriger Paris-Aufenthalt, Studium der Germanistik und Romanistik in Wien, 4-jährige Ausbildung zur Yogalehrerin, Autorin; Veröffentlichungen bei mymorawa, Vienna Academic Press, in Anthologien und Zeitschriften sowie im ORF

TEIL I


Kapitel 1: ALLTAG


SEPTEMBER


Clarissa war erleichtert, als sie hörte, wie die Wohnungstür ins Schloss fiel: Ihre Mutter hatte sich auf den Weg gemacht. Und sie selbst hatte nun noch gut zehn Minuten Zeit, sich anzuziehen und zu frisieren und alles Notwendige einzupacken.

Sie begab sich ins Badezimmer und begann, ihre Augen dunkel zu schminken; sehr dunkel. Dafür bediente sie sich bei den Schminkutensilien ihrer Mutter, die diese reichlich besaß. Cool fand sie ihren Blick und hätte gerne noch ein Selfie gemacht, aber die Zeit war mittlerweile knapp. Das rosafarbene Kleid, das ihre Mutter ihr für diesen Tag frisch gebügelt auf das Bett gelegt hatte, hängte sie in den Kasten und schlüpfte in ihre engen Jeans und in ein schwarzes Top; darüber den dunkelgrauen Kapuzenpulli: So war sie, wie sie selbst fand, bestens gekleidet für den ersten Schultag des neuen Schuljahrs. Die Zeit der rosa Kleidchen war doch wirklich längst vorbei! Ihre Mutter wollte und wollte das nicht einsehen, und es war sinnlos, mit ihr darüber zu diskutieren. „Rosa steht dir so gut, Clarissa, und dieses Kleid ist kein billiges!“, würde sie sagen, und: „Rosa war ja immer schon deine Lieblingsfarbe Das war einmal, dachte Clarissa, dass Rosa meine Lieblingsfarbe war, ist lange her ...

„Meine furchtbare Kitschphase .“, hatte Clarissa zu Flora gesagt. „Hattest du selbst auch so eine? Mit Einhörnern und irgendwelchen grässlichen Comicfiguren auf Swea- tern und T-Shirts und Glitzerlook und was weiß ich . Die Prinzessinnen-Kitschphase eben!“ - „Leider nicht“, hatte Flora entgegnet, „denn meine Mama hat diese Sachen so furchtbar gefunden, ich durfte sie nicht tragen. Und wenn Oma mir einmal einen Wunsch erfüllt und so ein T-Shirt mitgebracht hat, durfte ich es nur ein paar Stunden anhaben!“ - „Gibt's ja nicht!“, meinte Clarissa. „Ich dachte, deine Eltern sind voll tolerant!“ Clarissas Handy ertönte: eine Nachricht von Flora: „Wo bleibst du? Steh schon vor der Schule! Warte sehnsüchtigst!“

Clarissa schlüpfte in ihre Sneakers, warf ihren fast leeren Rucksack über die Schulter und verließ eilig die Wohnung.

*

Dieser erste Schultag verlief wie alle anderen ersten Schultage, die Clarissa erlebt hatte: aufgeregtes Geschnatter der Mitschülerinnen und Mitschüler; Erzählungen über diejenigen, die Wiederholungsprüfungen geschafft oder eben nicht geschafft hatten; die mahnende Rede des Klassenvorstands, der es sich nicht nehmen ließ, auch noch einzelne Namen seiner „Sorgenkinder“ zu nennen - unter denen sich auch Clarissa befand, was diese zu einem breiten Grinsen in Floras Richtung veranlasste; Kommentare über neue Frisuren oder