Authentizität – ein viel zitierter Begriff. Doch was verbirgt sich eigentlich dahinter? Und ist es nun gut oder eher schlecht, authentisch zu sein? Wann es sich lohnt, sich authentisch zu zeigen, und wann du besser damit hinter dem Berg hältst, erfährst du in diesem Kapitel.
„Sich wirklich zu zeigen, erfordert Mut.“
Die Bremsleuchten der vor dir fahrenden Autos leuchten plötzlich hell auf. Du steigst in die Bremse, so wie sämtliche Autos vor und nach dir. Es kommt zum absoluten Stillstand auf vier Spuren. Die Fahrbahn nadelöhrt sich an dieser Stelle geschmeidig in eine Baustelle, und der Fahrfluss stoppt beim ungeregelten Einfädeln so vieler Autos komplett. Deine großzügig kalkulierte halbe Stunde Puffer frisst sich zweispurig vor sich hinschleichend Minute für Minute auf. Du beobachtest die Schnecken am Wegesrand, die dich im raschen Vorbeikriechen hämisch angrinsen. Dann geht es auf den zwei Baustellenspuren endlich weiter. Erstaunlicherweise hast du jetzt nahezu freie Bahn auf der linken Spur. Du drückst ein wenig auf die Tube und freust dich an der sich rasch nach rechts bewegenden Tachonadel und den vorbeifliegenden Baustellenbegrenzungspfosten, die dir eine entspannende visuelle Rückmeldung über die wenigstens minimal aufgeholte Zeit geben.
Ein plötzlicher greller, roter Blitz vom Wegesrand kündigt an, dass du dich aber bald nur mehr über überteuerte Fahrdienste oder schlecht präparierte Radwege beklagen wirst können: Geblitzt. Erwischt. Führerschein ade. Gestresst, genervt und mit adretten Schweißflecken im Hemd betrittst du wenig später den Meetingraum, in dem der wichtigste Termin des Tages schon wartet und bei deinem Erscheinen einen unmissverständlich vorwurfsvollen Blick auf die Uhr wirft.
Was wirst du tun? Wirst du authentisch sein? Wirst du so sein, wie du bist? Nicht inszeniert, ganz ehrlich an deine momentanen Gefühle angeschlossen und völlig echt? Das bedeutet: Du knallst deine Unterlagen auf den Tisch, verfluchst in unflätiger Weise „diese Abzocker von Bullen“ und brichst dann schluchzend in den Armen deines Termins zusammen, weil du nicht weißt, wie du die nächsten Monate ohne Auto bewerkstelligen sollst.
Das wäre wahrscheinlich die authentischste Variante. Aber du wirst sie nicht wählen, denn du bist dir deiner Rolle bewusst: Deinen Termin interes