: Jürgen Vogler
: Verhängnisvolle Schatten Ein Ostsee-Krimi
: Boyens Buchverlag
: 9783804230590
: 1
: CHF 8.00
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: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 248
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der Kriminalschriftsteller Karl-Magnus Lindberg orientiert sich bei der Arbeit an seinen Büchern gerne an wahren Fällen und geht bei der Recherche nicht immer ganz legale Wege. Als auf dem Friedhof im ostholsteinischen Altenkrempe eine weibliche Leiche gefunden wird, ist sein Interesse geweckt. Schnell steht fest, dass es sich um die Tochter des Grafen Ruprecht von Bahrenfeld handelt, der auf dem nahegelegenen Gut Hasselburg residiert. Lindbergs schwesterliche Freundin Anna Severin, Kriminalhauptkommissarin bei der Mordkommission der Polizeidirektion Lübeck, übernimmt die Ermittlungen. Obwohl sie eigentlich zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, gelingt es Lindberg, sie geschickt über den Fortgang ihrer Arbeit auszufragen. Seltsamerweise zeigt die Familie der Toten kein großes Interesse an der Aufklärung des Falls, so dass Severin nur schleppend vorankommt. Hat die dubiose Firma des Grafensohns Ferdinand, die gebrauchte Autos nach Russland verschifft, etwas mit dem Mord zu tun? Und was hat es mit der Abrissverfügung der Stadt Lübeck für das Haus des alten Ehepaars Kleinschmidt in Travemünde auf sich? Lindberg und Anna Severin geraten in ein Gewirr aus Lügen und Intrigen, dessen Spuren Lindberg bis nach Schweden führen. Ein spannender Ostseekrimi mit einem verblüffenden Ende - ein Muss für jeden Krimi-Liebhaber und Sessel-Detektiv!

Jürgen Vogler, 1946 am Plöner See in der Holsteinischen Schweiz geboren, wohnt heute an der Ostseeküste. Nach seinem Dienst als Pressesprecher bei der Bundespolizei arbeitet er seit 1988 als freier Journalist und Autor. Seine wöchentlichen Zeitungskolumnen über die Vergangenheit Ostholsteins erschienen 2007 als Buch unter dem Titel 'Ostholstein gestern' - 100 Geschichten über Land und Leute'. 2009 entstand der Seeräuber 'Bottelpott - Der beste Pirat aller Zeiten'. 'Jan-Peter, das Deichlamm' enthält fünf aufregende Geschichten von der Küste für die Kleinsten unter uns. Seit 2011 sind neun augenzwinkernde Kurzkrimis in verschiedenen Anthologien erschienen, außerdem der Kriminalroman 'Schwarzer Nebel' (2017). Jürgen Vogler ist ebenfalls Autor der historischen Romane 'Der Mohr von Plön' (2012), 'Der Narr von Eutin' (2014) und 'Der Marquis von Lübeck' (2016).

Kapitel 1

Naturgewalten entladen sich in ihrer brachialen Macht. Sturmböen lassen das Wasser der Ostsee kochen. Schäumende Wellen donnern mit ohrenbetäubendem Lärm an den Strand. Regenschwere Wolken verschieben das bedrohliche Bild am Himmel in Sekundenschnelle. Mitten in dieser Apokalypse steht ein Mensch. Ein beseeltes Lächeln umspielt seinen Mund. Unberührt von den zügellosen Mächten der Natur. Vereint mit den erschreckenden Elementen, die schon zu Urzeiten dem Zorn der Götter zugeschrieben wurden.

Oh, entschuldigen Sie bitte. Ich habe ganz vergessen, mich vorzustellen. Mein Name ist Karl-Magnus Lindberg. Und ich muss Sie auch dafür um Verzeihung bitten, dass ich Sie so unvorbereitet mit meinen etwas euphorischen literarischen Ergüssen überschüttet habe. Aber das ist quasi eine Berufskrankheit. Ich bin Schriftsteller. Sie müssen wissen, um diese Profession einigermaßen erfüllen zu können, gibt es nur eine zwingende Voraussetzung: Fantasie. Ein bedeutender Kollege von mir hat es einmal so formuliert: Eine Welt ohne Fantasie lässt Engel weinen! Und er hat recht. Ich für meinen Teil würde die Fantasie-Theorie für Autoren noch um den Begriff „Neugier“ erweitern. Wer nicht wissbegierig ist, der lebt Zeit seines Lebens in einem Kokon seiner Beschränktheit. Ganz im Vertrauen, ohne Neugier würde die Menschheit heute noch in Höhlen hausen.

Es war der ideale Tag für eine Motorradtour durch die Holsteinische Schweiz. Der Spätsommer zeigte sich von seiner besten Seite. Ein strahlend blauer Himmel, verziert mit vereinzelten blumenkohlähnlichen Kumuluswolken.

„Mein Gott, warum hab’ ich mich nicht viel früher wieder auf mein Moped geschwungen“, waren Lindbergs Gedanken, als er in elegantem Schwung den Kurven der Landstraße zwischen dem Bungsberg und Neustadt folgte. Seine schwere Maschine, eine Kawasaki VN 1500 Classic Tourer, brummte gutmütig vor sich hin. Zwei Jahre lang hatte das Motorrad sicher und gut abgedeckt in der Garage gestanden, um heute wie Dornröschen aus seinem tiefen Schlaf wieder erweckt zu werden.

Die Zeit heilt alle Wunden, heißt es so schön. Doch wen das Schicksal auf brutale Weise aus der Bahn wirft, der will solche Weisheiten nicht hören. Auch Lindberg damals nicht. Zuviel verband ihn mit Katja und seinem Motorrad. Gemeinsame Kurztrips durch Holsteins Rapsfelder gehörten ebenso dazu wie auch ausgiebige Touren durch die Wälder Schwedens oder die Bergwelt der Alpen. Fünf Jahre waren sie ein Paar gewesen. Auch wenn sie in zwei verschiedenen Welten lebten, so gab es zwischen ihnen einen unbeschreiblichen Gleichklang. Während er in Lübeck und an der Ostseeküste als Schriftsteller nach aufregenden Ereignissen und Inspirationen für seine Kriminalgeschichten fahndete, flog sie als Auslandskorrespondentin für das Fernsehen um den Erdball. Nicht selten erblickte er sie in den Nachrichten auf dem Bildschirm, bis er sie erst Tage später wieder in die Arme nehmen konnte. Das Haus in Lübecks Altstadt war ihr kleines Refugium. Sein Arbeitsplatz als Schriftsteller und Katjas Anlaufpunkt und Ruhepol nach ihren Ausflügen in andere Länder bis zu jenem Tag, als das kleine Kartenhaus des Glücks von heute auf morgen zusammenbrach. Katjas Flugzeug war mit dem Kamerateam im Regenwald des Amazonas abgestürzt. Es gab keine Überlebenden. Für Lindberg folgte eine Zeit vollkommener Leere. Ein Leben im Vakuum. Er war monatelang nicht in der Lage gewesen, konstruktiv zu denken oder auch nur eine Zeile zu schreiben. Sein Verlag zeigte Verständnis. Doch irgendwann schwand auch dessen Geduld. Verträge mussten eingehalten, Leserwünsche erfüllt werden. Später war Lindberg dankbar dafür, dass ihn dieser Druck wieder aus seinem Tal der Tränen zurück geholt hatte. Die Zeit heilt alle Wunden, sagt man. Ein bisschen Wahrheit scheint doch daran zu sein.

Auch wenn Lindberg bei seiner ersten Motorradtour nach der schweren Zeit schmerzlich jenes Gefühl vermisste, wenn Katja von hinten ihre Arme um ihn geschlungen und ihren Kopf an seine Schultern gelegt hatte, so genoss er doch die Tour nach der langen Zeit seiner Motorradabstinenz. Lindberg konnte nicht ahnen, dass seine Gedanken in wenigen Sekunden durch ein ungewöhnliches Bild abgelenkt werden würden.

Er hatte gar nicht bemerkt, dass er inzwischen auf dem Weg von Schönwalde nach Neustadt bereits auf der Höhe des Gutes Hasselburg angekommen war. Kurz nach dem Bahnübergang sah er links mehrere Polizeifahrzeuge stehen. Hier lag der Friedhof von Altenkrempe. Seine N