»An ihrer Stelle würd’ ich Janus heute nicht reiten, Marie-Luise.« Der Besitzer des Pferdeshofes musterte die junge Dame voll Wohlwollen. In ihren abgetragenen Jeans, dem blauen Pullover, der lang war und gammelig wirkte, sah sie keineswegs aus sie die berühmte Schauspielerin des Theaters, von der jeder sprach. »Ich war gestern abend im Theater, Marie-Luise. Meine Frau und ich waren begeistert.«
»Warum soll ich Janus nicht reiten? Ist etwas mit ihm?«
Er sah sie beinahe jeden Tag, aber immer wieder begeisterte ihn ihre Schönheit. Ihr Gesicht war makellos, jetzt ohne jedes Makeup, ihr Haar war wie flammendes Kupfer, aber jetzt hockte Angst in ihren grünen Augen, die so leuchten konnte, daß man sich mitfreuen mußte, selber wenn man noch so mißmutig war.
»Er ist nicht krank«, beruhigte er sie rasch und ließ wohlgefällige Blicke über ihre Figur fallen. Sie war wirklich eine Rassefrau, nur leider nicht die seine. Sie gehörte zu den Frauen, die zu allen freundlich waren, ihre Kameradschaftlichkeit rühmten alle, sie hatte keine Starallüren und noch nie hatte man ihren Namen mit einer Affäre verbunden.
»Warum soll ich ihn nicht reiten?«
»Weil er heute morgen ausgerastet ist. Er hat sich auf der Weide mit dem Schimmel vom Professor angelegt und den Kürzeren gezogen. Ich habe ihn sofort in die Box gebracht, aber er schnaubt noch immer.«
Ihr herzförmig geschnittener Mund verzog sich amüsiert.
»Er ist ein stolzer Mann, er kann nun mal nicht vertragen, wenn er verliert. Aber reiten werde ich ihn trotzdem. Auf Janus’ Rücken erhole ich mich am besten. Ich bin nämlich total erledigt, Werner. Nach der Premiere mußte ich den ganzen Rummel des Empfangs über mich ergehen lassen. Sie ahnen ja gar nicht, wieviel Ratsherren glaubten, etwas sagen zu müssen. Vor lauter Langeweile habe ich viel zu viel Sekt getrunken.«
»Nehmen Sie mein Pferd, Marie-Luise«, versuchte er, sie zu überreden. Als sie energisch ihren Kopf schüttelte, seufzte er resigniert.
»Sie und Janus passen wirklich zusammen. Sie sind genauso eigensinnig wie er. Ich helfe Ihnen, ihn zu satteln, und werde ihm meine Meinung über sein schlechtes Benehmen in die Ohren blasen. Sie gehen viel zu sanft mit dem Kerl um.«
Sie lachte glockenhell, warf das Haar, das sie in einem dicken Zopf auf dem Rücken trug, schwungvoll zurück und strich eine vorwitzige Strähne mit anmutiger Bewegung am Ohr zurück.
Nicht die kleinste Bewegung entging ihm. Er war in diese junge Frau bis über beide Ohren verliebt. Und das Gute war, seine Frau war nicht im mindesten eifersüchtig. Nicht, weil sie ihm vertraute, sie vertraute Marie-Luise Wagner. Niemals würde sie in einen Ehe einbrechen, niemals mit einem Mann spielen.
Sie war eben eine ganz besondere Frau, und er durfte sie bewundern.
»Ich bin den Umgang mit schwierigen Männern gewöhnt. Vergessen Sie nicht, daß ich am Theater bin. Mein Partner benimmt sich oft wie die empfindlichste Diva.«
Sie betraten zusammen die Box. Marie-Luise schlang ihren Arm um Janus’ Hals und flüsterte in sein Ohr. Werner legte die Decke über Janus’ Rücken und warf den Sattel darüber.
Geputzt habe ich ihn schon. Als ich ihn von der Weide holte, war er pitschnaß. Ist ja gut, Janus. Bist ein Braver. Aber wenn du boxt und dein Frauchen ärgerst, bekommst du es mit mir zu tun.«
»Er versteht jedes Wort, Werner!« Marie-Luise lachte glücklich. »Nur Geduld,