: Dagmar Hoßfeld
: Conni 15 3: Meine beste Freundin, der Catwalk und ich Ein Buch für Mädchen ab 12 Jahren über Sehnsucht, erste Liebe und ein unglaubliches Angebot
: Carlsen Verlag GmbH
: 9783646927603
: 1
: CHF 7.30
:
: Jugendbücher ab 12 Jahre
: German
: 288
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das Leben ist einfach ... schön! Erst Anfang Januar wird Phillip zurückkommen. Bis dahin wird er dort bleiben, wo er seit den Sommerferien ist: in Berkeley, Kalifornien, USA. Conni weiß nicht, wie sie es so lange ohne ihn aushalten soll. Dass ihre beste Freundin Lena plötzlich Post von ihrem unbekannten Vater bekommt, ist eine willkommene Abwechslung. Lena will nach Hamburg fahren, um ihn kennen zu lernen. Und Conni soll sie begleiten. In der Stadt an der Elbe erhält Lena ein unglaubliches Angebot ... Die Reihe: Conni 15 ist für Mädchen ab 12 Jahren. Lebensnah, frisch und authentisch erzählt, geht es um das, was Teenager beschäftigt: die Zumutungen des Schullebens, den manchmal etwas anstrengenden Eltern, dem Spaß mit den Freundinnen, der ersten Liebe - und der Sehnsucht nach grenzenloser Freiheit.

Dagmar Hoßfeld wollte als Kind Tierärztin, Bäuerin oder Gestütsbesitzerin werden. Dass sie sich anders entschieden hat, verdankt sie ihrem Sohn: Als er ungefähr ein halbes Jahr alt war, bekam sie Lust, ein Kinderbuch zu schreiben. Sie setzte sich an den Schreibtisch - und hörte mit dem Schreiben einfach nicht mehr auf. Zum Glück! Mittlerweile sind viele wunderbare Kinder- und Jugendbücher von ihr erschienen. Geboren wurde Dagmar Hoßfeld 1960 in Kiel. Heute lebt sie in einem kleinen Dorf zwischen Ostsee und Schlei und hat, wie sie selbst sagt, den schönsten Beruf der Welt: Autorin.

Von fremden Vätern
und bedrohten Schlössern


Als ich mittags von der Schule nach Hause komme, steht meine Mutter in der Küche und rührt mit einem Holzlöffel in einem großen Topf herum. Zweimal links rum, zweimal rechts rum, wieder zweimal links rum. Exakt abgezirkelt. Faszinierend.

Seit Jakob auf die Gesamtschule geht und mein Gymnasium eine Ganztagsschule ist, kommt es nur noch selten vor, dass wir mittags aufeinandertreffen und unsere Mam für uns kocht. Normalerweise essen wir in der Schulmensa, Jakob in seiner und ich in meiner. Papa isst sowieso in der Stadt. Unsere Hauptfamilienmahlzeit ist das gemeinsame Abendbrot. Heute ist eine echte Ausnahme.

Mein kleiner Bruder hockt schon am Esstisch. Er lockt Kater Mau mit einem Leckerli und will ihn dazu bewegen, Männchen zu machen.

„Mach schön Sitz!“, sagt Jakob und wedelt mit dem Futterbröckchen vor der Katzennase herum.

Ha, ha, netter Versuch! Wer meinen Tigerkater kennt, weiß, dass der viel zu intelligent ist, um sich mit Naturalien bestechen zu lassen. Akrobatische Kunststückchen liegen eindeutig unter seiner Würde.

Mau setzt sich hin und fixiert Jakob mit klugen Sphinxaugen. Es sieht so aus, als würde er versuchen, meinen Bruder zu hypnotisieren, damit der das Leckerchen endlich fallen lässt. Maus gestreifte Schwanzspitze zuckt rhythmisch hin und her. Jakobs Augen werden schon ganz glasig.

Ich muss lachen.

„Vergiss es“, sage ich und schnappe mir eine Limoflasche von der Anrichte. „Wenn du ein unterwürfiges Tier haben willst, wünsch dir einen Golden Retriever!“

Mau löst seinen Hypnoseblick von Jakob und zwinkert mir verschwörerisch zu.

Ich blinzele zurück und begrüße meine Mam. Sie schaut nur kurz auf und lächelt mir zu, während sie weiterrührt.

Im Gegensatz zu ihr ist Jakob von meinem Vorschlag mit dem Hund sofort begeistert.

„Au ja!“, ruft er und springt auf. „Krieg ich einen Retriever? Oder eine Dogge? Einen Schäferhund? Einen Border Collie?“

Mau verschwindet unter der Bank, um das kullernde Leckerli einzufangen, das Jakob fallen gelassen hat.

„Nein“, erwidert unsere Mutter. „Aber das Essen ist fertig. – Du bist spät dran“, wendet sie sich an mich, während ich die Teller aus dem Schrank hole.

„Echt? Ist mir gar nicht aufgefallen“, entgegne ich mit einem Schulterzucken.

Unser Verhältnis ist momentan etwas angespannt. Das ist auch der Grund, weshalb ich auf dem Heimweg heute ein bisschen getrödelt habe. Ich hab überhaupt keine Lust, mich von ihr jetzt in eine Pünktlichkeitsdiskussion verwickeln zu lassen. Das einzige Thema, über das ich mich wirklich gerne mit ihr und meinem Vater unterhalten würde, ist meine Reise zu Phillip. Aber das ist eine Angelegenheit, über die meine Eltern wiederum nicht mit mir sprechen möchten. Wozu also kommunizieren? Wir reden sowieso aneinander vorbei.

Dabei will ich mir von meinem selbst verdienten Geld doch nur ein Billigflugticket kaufen, um in den Herbstferien nach Kalifornien zu fliegen. Aber genauso oft wie ich frage, sagen meine Eltern Nein. Sie finden, dass ich für so eine Reise noch zu jung bin.

Zu jung? Oh Mann … Wie alt hätten sie mich denn gerne?

Wenn ich erst mal volljährig bin, brauche ich ihre Erlaubnis nicht mehr. Dann muss ich aber auch nicht mehr nach Berkeley, weil Phillip bis dahin längst zurück ist.

Ich willJETZT zu ihm. Nicht erst in hundert Jahren.

Außerdem gehört mein Geld mir, finde ich. Ich hab dafür geschuftet und es mühsam zusammengehalten. Also darf ich damit wohl auch machen, was ich will. Oder etwa nicht?

Ja, klar. Theoretisch schon. Mit fünfzehn bin ich nämlich einemündige Minderjährige. Das hatten wir neulich gerade in Gesellschaftskunde. Aber auf dem Ohr sind meine Eltern komischerweise taub. Die behandeln mich lieber weiter wie eineunmündige Unerwachsene. Ich darf mir von meinem Ersparten jederzeit gerne ein neues Wörterbuch oder einen sauteuren programmierbaren Taschenrechner für die Schule kaufen, überhaupt kein Problem. Aber ein Flugticket nach San Francisco?No way!

Kann mir mal bitte jemand diese Logik erklären? Ich glaube nicht.

Solange meine Eltern in dieser Sache nicht ein bisschen flexibler und kooperativer sind, bin ich’s auch nicht. Wobei ich echt nicht behaupten möchte, dass mir die momentane Stimmung besonders gut gefällt. Ganz im Gegenteil. Aber meine Eltern wollen es ja nicht anders.

Das Mittagessen verläuft entsprechend schweigsam.

Ich bin froh, als ich meinen Nachtisch ausgelöffelt habe und aufstehen kann.

Ich helfe noch schnell, den Tisch abzuräumen und das Geschirr in die Spülmaschine zu sortieren, dann bin ich weg. Genau wie Jakob und Mau.

Meine Mutter geht mit der Zeitung ins Wohnzimmer, um sich auf dem Sofa auszuruhen, bevor sie wieder in die Praxis muss.

„Ich bin oben“, sage ich und werfe mir meinen Rucksack über die Schulter.

„Ich auch“, quäkt Jakob und drängelt sich an mir vorbei die Treppe hoch.

Mau hüpft hinter uns her und überholt mich auf der vorletzten Treppenstufe.

In meinem Zimmer bleibe ich stehen und schaue mich um.

Ich habe es gerade erst neu dekoriert. Statt wie früher Pferde-, Katzen- und Landschaftsposter mit wahlweise auf- oder untergehenden Sonnen, Voll- und Halbmonden zieren jetzt Fotos von Phillip die Wände.

In meinem Bücherregal habe ich ein Fach freigeräumt. Darin steht ein gerahmtes Foto von Phillip und mir. Daneben liegt eine Kristallkugel, die wir vor Urzeiten zusammen im Wald gefunden haben. Nicht zu vergessen das Erdmännchen aus Plüsch, das Phillip auf unserer Klassenfahrt nach England für mich aus einem Automaten geholt hat. Es heißt Elvis.

Unter Elvis’ Po stapeln sich dicke Wälzer über Kalifornien, die Phillip mir vor seiner Abreise in die Arme gedrückt hat. Damit ich immer weiß, wo er gerade ist. Süß, oder?

Obwohl … Eigentlich will ich gar nicht so genau wissen, wie es da aussieht. Ich hab keine Lust, mir tolle Hochglanzbilder von Orten anzuschauen, an denen ich gerne mit ihm zusammen wäre. An der Golden Gate Bridge zum Beispiel. Oder im Yosemite-Nationalpark.

Nur weil meine Eltern so stur sind, werde ich diese Naturwunder erst besuchen können, wenn ich alt und schrumpelig und kurz vor der Rente bin. Danke schön.

Wo ich gerade bei meinen Eltern bin …

Meiner Mutter gefällt meine Phillip-Deko überhaupt nicht. Sie findet es nicht normal, dass ich so auf ihn fixiert bin.

Hallo? Wenn eine Frau in diesem Haus auf einen Typen fixiert ist, dann ja wohl meine Mutter auf meinen Vater!

Die beiden kennen sich seit über zwanzig Jahren, das muss man sich mal vorstellen! Jede Wette, dass meine Mutter ihr Zimmer auch mit Bildern zupflastern würde, wenn ihr Mann, also mein Vater, für ein halbes Jahr auf der anderen Seite der Weltkugel abhängen würde. Aber die sehen sich ja ständig. Da braucht man logischerweise keinen Gedenkschrein und auch keine Erinnerungsfotos, damit man nicht aus Versehen vergisst, wie der andere aussieht.

Davor hab ich nämlich ein bisschen Schiss: dass ich vergesse, wie Phillip aussieht. Wir skypen zwar jeden Tag, aber so ein wackliges Monitorbild ist ja nun nicht gerade die Realität. Und schon gar kein Ersatz für einen Jungen, den man berühren und küssen möchte.

Manchmal ist es echt hart.

Was meine Eltern von meinem Wohndesign halten, ist mir also ziemlich schnuppe. Zum Glück kommen sie nicht so oft in mein Zimmer. Ob es ihnen lieber wäre, wenn ich meine Wände statt mit Phillip-Fotos mit Postern von Boygroups, Topmodels und Filmstars pflastern würde?

Kommt nicht in die Tüte.

My room is my castle.

Mein Zimmer ist meine Privatsache. Mein geschützter Raum. Mein Kokon. Da lass ich mir nicht reinreden.

Schon gar nicht von meinen Eltern.

Punkt.

Ich gebe Elvis einen Stups und klappe mein Notebook auf.

Es ist leider noch zu früh, um mit Phillip zu skypen. Der Zeitunterschied...