Guzmán Carriquiry Lecour
Vizepräsident der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika
Seit jenem Tag, an dem Franziskus im Jahre 2013 zum Papst gewählt wurde, ist eine beachtliche Menge an Büchern und Beiträgen zu seinem Pontifikat, seiner Biographie und auch zu seinem seelsorgerischen Wirken als Bischof von Buenos Aires erschienen. Viele dieser in den verschiedensten Sprachen der Welt verfassten Werke befassen sich zudem mit seiner Reform der Kirche und insbesondere der Römischen Kurie, seiner Option für die Armen, seiner Art zu kommunizieren und seinem Eintreten im internationalen Kontext unserer Zeit. Dass der Buchmarkt so reich an Büchern über Franziskus ist, darf aber nicht nur darauf zurückgeführt werden, dass wir in einer Zeit voller Überraschungen leben; es liegt auch daran, dass die Welt das Zeugnis und das Handeln des Heiligen Vaters mit großem Interesse und starker Empathie mitverfolgt. Dies bezeugt die beständige Nachfrage von Seiten eines breiten Lesepublikums, das über den kirchlichen Bereich hinausgeht und auch Menschen miteinschließt, die mit der Kirche Roms nur sehr wenig zu tun haben. Franziskus ist in aller Munde – beim einfachen Volk und bei den Eliten dieser Welt.
Doch trotz der schieren Flut an Veröffentlichungen zu Franziskus und seinem Pontifikat geht Massimo Borghesis Buch darin keinesfalls unter. Sein Werk ist von großer Bedeutung, da es einen bislang nur wenig beachteten Aspekt beleuchtet, der sehr wichtig ist, um den heutigen Papst und sein Handeln zu verstehen: dieEntstehung und Entwicklung seines »Denkens«. In seinem Buch wählt der Autor einen Zugang, der in der Literatur zu Franziskus ganz neu ist. Borghesi versteht sich darauf, Quellen zu sammeln und sie auszuwerten, und bietet auf der Grundlage der so gewonnenen Erkenntnisse einen systematischen Einblick in das kulturelle »Hinterland« und die intellektuellen Einflüsse, die die Persönlichkeit und das »Denken« Jorge Mario Bergoglios geformt haben. Das Buch leistet einen unverzichtbaren Beitrag dazu, die komplexe Persönlichkeit Papst Franziskus’ besser zu verstehen – eine Persönlichkeit, die stark von ihren seelsorgerischen, mystischen und intellektuellen Erfahrungen geprägt ist. Dass seine intellektuelle Biographie bislang kaum im Fokus stand, ist in erster Linie auf Papst Franziskus selbst zurückzuführen. Er stellt seine Begabungen und Fähigkeiten nich