»Und ich war ja auch mitten in die Politik hineingemengt.«
Mit Kyra Stromberg,1979
Die Literaturwissenschaftlerin, Schriftstellerin und Übersetzerin unter anderem Biographin von Djuna Barnes, Zelda Fitzgerald und F. Scott Fitzgerald Kyra Stromberg (19162006) interviewte Irmgard Keun1979 für dieWDR-Sendereihe »Das Gespräch«.
Die Darstellung des Prostituiertenmilieus inGilgi, eine von uns ist so glaubwürdig, dass man sich fragt, ob Sie darin gelebt haben oder Freunde hatten.
Ach, da hatt ich viele Bekannte also da bin ich mit einer Freundin, Anja Schawinski, wir gingen da jeden Vormittag gingen wir dahin, wir streunten durch Köln, landeten dann unten in diesen Rheingassen und ja da ergaben sich Kontakte mit den mit den Nutten, und die waren sehr nett, und einmal hat mich so n Zuhälter hat mich sogar also n Stück gebracht und gesagt: »Weiter will ich nicht mitgehen, das macht keinen guten Eindruck.« Also die waren sehr höflich. Und als ich einmal nach Deutz wollte, also ich ging immer so gern über Brücken und von den Brücken zurück in die Stadt, um sie richtig zu sehen und noch romantisch, da hat sie gerade achthundert Mark bekommen: »Die will ich nicht mitnehmen, sonst geb ich sie aus, die hol ich morgen wieder ab«, und das wurde alles so artig und nett besorgt also auf die konnt ich mich verlassen. Besser als auf die Polizei.
Sie selber kommen aus einem normalen gutbürgerlichen Milieu
Ja. Ja.
Und hat man Sie so laufen lassen?
Ich lief einfach.
Aber da gibt s doch auch manchmal elterliche Proteste
Die wussten gar nicht, wo ich hinging. Natürlich gelesen haben sie s dann.
Aber sie haben ja auch gemerkt, dass Sie nicht immer artig am Schulpult saßen und fein Ihre Schularbeiten machten. Ich meine, Sie müssen ja wahnsinnig jung gewesen sein, als Sie das alles geschrieben haben?
Ja.
Das ist ja ungewöhnlich. Da haben Sie gewiss noch zu Hause gelebt?
Ja, da hab ich zu Hause gelebt.
Waren die Eltern tolerant, im Allgemeinen?
Ach ja, das waren sie, irgendwie Also denen blieb auch nichts anderes übrig. Doch, sie waren sehr tolerant.
Hatten Sie Vorstellungen davon, was Ihr Leben eigentlich sein sollte? Haben Sie wählen können?
Nein. Ich bin erst zur Schauspielschule gegangen und wollte irgendwas mit Theater machen. War dann am Hamburger Thalia Theater, danach in Gr