: Albert Kitzler
: Wie lebe ich ein gutes Leben? Philosophie für Praktiker
: Pattloch Verlag
: 9783629320643
: 1
: CHF 10.00
:
: Philosophie, Religion
: German
: 272
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Philoso hie zum Anfassen 'Wie lebe ich ein gutes Leben?' verbindet die westliche mit der östlichen Philosophie und lädt ein, den Spuren der großen antiken Denker und Weisheitslehrer zu folgen: Seneca, Epikur, Konfuzius, Laotse, Patañjali, Gautama Siddharta u.v.a. Es geht um Selbsterkenntnis, den Umgang mit dem Wandel der Zeiten und die Beziehung zu anderen Menschen. Dabei erfahren wir, wie wir gelassener, glücklicher und bewusster leben können. Entlang von Stichworten wie Zeit, Schicksal, Freundschaft, Unabhängigkeit und anderen mehr präsentiert Albert Kitzler Geschichten und Texte der großen Weisheitslehrer, die auf ihre Bedeutung für unseren Alltag befragt werden. Verweise auf aktuelle Forschungsergebnisse der Neurowissenschaften und anderer moderner Disziplinen schlagen eine Brücke in unsere Gegenwart. Impulse zum Weiterdenken helfen, die Erkenntnisse auf das eigene Leben zu übertragen.

Dr. Albert Kitzler, geb. 1955, studierte Philosophie und Jura in Freiburg und arbeitete lange Jahre erfolgreich als Medienanwalt und Filmproduzent in Berlin. Seit 2000 beschäftigt er sich wieder intensiv mit Philosophie im antiken Griechenland, China und Indien und gründete 2010 die Philosophieschule MASS UND MITTE (www.massundmitte.de), wo er Seminare, Coachings sowie philosophische Matineen leitet und Vortrage hält. Seine Bücher Wie lebe ich ein gutes Leben?, Philosophie to go, Denken heilt und Vom Glück des Wanderns haben bei Leser*innen und Kritiker*innen Begeisterung ausgelöst. Zuletzt erschien bei Droemer Die Weisheit der Liebe (2023). Albert Kitzler lebt bei München.

Der Einstieg


Das Lernen allein genügt nicht,

hinzukommen müssen Übung und Gewöhnung.[6]

Epiktet

Beginnen wir unsere Reise durch die antike Lebensweisheit mit einem Beispiel aus der Praxis, damit deutlicher wird, wovon die Rede ist. Wenn wir uns körperlich unwohl oder erschöpft fühlen, wissen wir, was wir zu tun haben (und tun es meistens doch nicht): Sport treiben, zum Arzt gehen, weniger arbeiten, mehr schlafen, in den Urlaub fahren usw. Wenn wir uns seelisch unwohl fühlen, wenn wir mit unserem Leben nicht zufrieden sind, wenn uns Ängste und Sorgen belasten, wenn wir keinen Sinn in unserem Tun sehen oder eine Perspektive vermissen: Wissen wir dann, was zu tun ist? Periander, einer der sogenannten »Sieben Weisen«, mit denen im alten Griechenland die abendländische Philosophie begann, gab eine knappe Antwort, die sich in drei Worten erschöpfte:

Alles ist Übung.[7]

Statt »Übung« können wir auch übersetzen: »Gewohnheit«[8].250 Jahre später knüpfte Aristoteles daran an: Der Mensch habe zwei Naturen. Eine Natur, sagte er, sei uns durch die Geburt mitgegeben, die zweite schaffen wir uns selbst, nämlich durch unsere Gewohnheiten. Denn unsere Gewohnheiten können wir steuern durch Übung, oder – wie Aristoteles sich ausdrückte – durch »häufiges vernunftgesteuertes Bewegtwerden«. Damit hob er hervor, worauf es ankommt: auf die Überwindung der eigenen Trägheit, des sprichwörtlichen inneren Schweinehunds. Die Schlussfolgerung in diesem Zusammenhang lautet: Willst du etwas an deinem Leben ändern, was dich belastet oder stört, ändere deine Gewohnheiten, sonst ändert sich nichts.

Damit ist freilich noch nicht gesagt, was wir konkret ändern sollen, um uns besser zu fühlen. Aber immerhin ist gesagt, wie wir es tun müssen. Eine Bestätigung dieser Erkenntnis finden wir an prominenter Stelle bei den alten Chinesen. Die einzige einigermaßen authentische Schrift des Konfuzius, die »Gespräche«, beginnt mit den Worten:

Etwas lernen und sich immer wieder darin üben, schafft das nicht Freude?[9]

Statt »Freude« können wir auch sagen »Glück«, »Zufriedenheit« oder »Erfüllung«. Zu lernen und sich immer wieder darin zu üben, so dass das Gelernte ein Teil unserer selbst wird, führt nach Konfuzius zu Glück und Erfüllung. In diesem Zitat ist das ganze Bildungskonzept des Konfuzius enthalten, eines der großartigsten, das je entwickelt worden ist. Bildung meint hier nicht Bücherwissen, sondern die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit hin zu einer selbstbestimmten, weisen Lebensführung. Diese Bildung hilft uns, die Herausforderungen und Belastungen des Alltags zu bewältigen, damit wir uns geistig-seelisch gut fühlen. Dabei können Bücher hilfreich sein, doch sie sind längst nicht alles, vielleicht nicht einmal das Wichtigste.

Aber spricht Konfuzius nicht eine Banalität aus? Nur auf den ersten Blick. Immerhin hat ein zeitgenössischer Philosoph über diese scheinbare »Banalität« des Übens ein mehr als700 Seiten starkes Buch geschrieben mit dem Titel »Du sollst dein Leben ändern«[10]. Das Buch hat viele Leser gefunden, aber vermutlich haben nur wenige nach der Lektüre tatsächlich ihr Leben geändert. Obgleich es zahllose tiefe Gedanken und geistreiche Bemerkungen enthält, bleibt es überwiegend auf der Ebene des Intellekts und fokussiert weniger die Frage, wie wir das vermittelte Wissen umsetzen können. Aber gerade diese Umsetzung ist es, die uns so große Schwierigkeiten bereitet. Was können wir tun, um diese Schwierigkeiten zu überwinden? Der Beantwortung dieser Frage dienten in der Antike die Spruchweisheiten. In ihnen verdichtete sich Lebenserfahrung in einfachen und eingängigen Sätzen, die wir uns merken können und die »zur Hand sind«, wenn wir sie brauchen. Die scheinbare Einfachheit dieser Weisheiten darf nicht über den Reichtum ihres Gehalts hinwegtäuschen