: Ulrich Tadday
: MUSIK-KONZEPTE Sonderband - Werner Reinhart Mäzen der Moderne
: edition text + kritik
: 9783967078459
: 1
: CHF 36.50
:
: 20. und 21. Jahrhundert
: German
: 228
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Werner Reinhart (1884-1951) war kein 'Sponsor' oder 'Drittmittelgeber' im heutigen Sinn, sondern er entsprach dem klassischen Typus eines altruistischen Mäzens und machte Winterthur und die Villa Rychenberg vor etwa 100 Jahren zu einem kulturellen Zentrum. Dank seiner finanziellen Mittel und seines sorgfältig gepflegten Netzwerks war es dem Kaufmann und Musikliebhaber möglich, zahlreiche Komponisten, Interpreten und Dirigenten zu unterstützen. Zu den von Reinhart Geförderten gehören auch so große Namen wie Alban Berg, Paul Hindemith, Ernst Krenek, Arnold Schönberg, Richard Strauss, Igor Strawinsky, Anton Webern oder Rainer Maria Rilke. Hermann Scherchen, Reinharts jahrzehntelanger Verbündeter am Dirigentenpult des Musikkollegiums Winterthur, nannte dessen Wirken 'unmerklich' und einer 'wohltätigen unterirdischen Strömung' gleich. Mit Beiträgen von Esma Cerkovnik, Daniel Ender, Franziska Gallusser, Lion Gallusser, Thomas Irvine, Christian Kämpf, Doris Lanz, Arturo Larcati, Laurenz Lütteken, Michael Meyer, Alessandra Origani, Kerstin Richter, Ullrich Scheideler, Ulrike Thiele und Matthew Werley.

Ulrich Tadday, geb. 1963, Studium der Musikpädagogik und Musikwissenschaft, Germanistik und Philosophie an den Universitäten Dortmund und Bochum; Staatsexamina, Promotion und Habilitation; seit 2002 Professor für Historische Musikwissenschaft an der Universität Bremen; seit 2004 Herausgeber der Neuen Folge der 'Musik-Konzepte'.

ULRIKE THIELE

»Die musikalische Revolution verwirklichen helfen«


Der Mäzen Werner Reinhart

Noch heute ist das Erbe der kunstliebenden Familie Reinhart im schweizerischen Winterthur präsent: die Kunstsammlungen ebenso wie das Musikkollegium Winterthur, dem der Musikmäzen Werner Reinhart (1884–1951) über 40 Jahre seines Lebens höchstes Engagement und finanzielle Unterstützung angedeihen ließ. Bildende Kunst aus Europa interessierte ihn ebenso wie indische bzw. asiatische Kunst.1 Und er trat auch jenseits der Musik als verständnisvoller Förderer auf. Ein herausragendes Beispiel dafür war zweifellos der Dichter Rainer Maria Rilke (1875–1926), dem Reinhart durch Anmietung und späteren Ankauf des Turms von Muzot im Wallis ab 1921/22 die letzte Lebens- und Wirkungsstätte zur Verfügung stellte.

I Panoptikum einer Moderne


Die besonders vielgestaltige und weitreichende Fördertätigkeit als Musikmäzen erreichte in den 1920er Jahren einen Höhepunkt. Auffällig ist eben jener von Reinhart bewusst angestrebte Pluralismus, der mit der Idee einer weit gefassten Moderne des 20. Jahrhunderts einhergeht: Über ihn fanden selbst musikalisch wie politisch denkbar weit voneinander entfernte Persönlichkeiten wie Hermann Scherchen und Richard Strauss zueinander. Reinhart unterstützte zahlreiche weitere namhafte Komponisten seiner ­Generation wie Igor Strawinsky, Alban Berg und Anton Webern, Walter Braunfels und Heinrich Kaminski, Othmar Schoeck, Paul Hindemith und Ernst Křenek, zudem gefeierte Interpretinnen und Interpreten wie Clara Haskil und Wilhelm Furtwängler, den Zeitgeist spiegelnde Institutionen wie die Internationale Gesellschaft für Neue Musik oder die Schola Cantorum Basiliensis bis hin zu kleineren, ihm aber bedeutsam erscheinende Unternehmungen wie das Schweizerische Marionettentheater und noch wenig etablierten oder finanziell wie politisch bedrängten Künstlern. Die Wirkmächtigkeit seines Mäzenatentums wurde durchaus auch schon von Zeit­genossen wahrgenommen und honoriert, wie ein Gedenkbuch-Eintrag des eine Generation jüngeren Paul Sacher zeigt, für den Reinharts Agieren durchaus Vorbildwirkung hatte:

»Wer sich dereinst mit der Musikgeschichte und dem Schicksal der Musiker des 20. Jahrhunderts beschäftigt, wird immer wieder Ihrem Namen begegnen. Die musikalische Revolution, die sich während und nach dem ersten Weltkrieg abspielte, haben Sie teilnehmend und unterstützend verwirklichen helfen. Es gibt wohl kaum einen Künstler von Rang, der Sie nicht gekannt und Ihre Förderung nicht erfahren hätte.«2

Ein markanter Wesenszug des Schweizer Kaufmanns und Musikförderers war jedoch, sein Wirken unsichtbar zu machen. Er wirkte »unmerklich« und »einer wohltätigen unterirdischen Strömung« gleich, erinnerte sich der Dirigent Hermann Scherchen in einem Nachruf.3 He