ULRIKE THIELE
Der Mäzen Werner Reinhart
Noch heute ist das Erbe der kunstliebenden Familie Reinhart im schweizerischen Winterthur präsent: die Kunstsammlungen ebenso wie das Musikkollegium Winterthur, dem der Musikmäzen Werner Reinhart (1884–1951) über 40 Jahre seines Lebens höchstes Engagement und finanzielle Unterstützung angedeihen ließ. Bildende Kunst aus Europa interessierte ihn ebenso wie indische bzw. asiatische Kunst.1 Und er trat auch jenseits der Musik als verständnisvoller Förderer auf. Ein herausragendes Beispiel dafür war zweifellos der Dichter Rainer Maria Rilke (1875–1926), dem Reinhart durch Anmietung und späteren Ankauf des Turms von Muzot im Wallis ab 1921/22 die letzte Lebens- und Wirkungsstätte zur Verfügung stellte.
Die besonders vielgestaltige und weitreichende Fördertätigkeit als Musikmäzen erreichte in den 1920er Jahren einen Höhepunkt. Auffällig ist eben jener von Reinhart bewusst angestrebte Pluralismus, der mit der Idee einer weit gefassten Moderne des 20. Jahrhunderts einhergeht: Über ihn fanden selbst musikalisch wie politisch denkbar weit voneinander entfernte Persönlichkeiten wie Hermann Scherchen und Richard Strauss zueinander. Reinhart unterstützte zahlreiche weitere namhafte Komponisten seiner Generation wie Igor Strawinsky, Alban Berg und Anton Webern, Walter Braunfels und Heinrich Kaminski, Othmar Schoeck, Paul Hindemith und Ernst Křenek, zudem gefeierte Interpretinnen und Interpreten wie Clara Haskil und Wilhelm Furtwängler, den Zeitgeist spiegelnde Institutionen wie die Internationale Gesellschaft für Neue Musik oder die Schola Cantorum Basiliensis bis hin zu kleineren, ihm aber bedeutsam erscheinende Unternehmungen wie das Schweizerische Marionettentheater und noch wenig etablierten oder finanziell wie politisch bedrängten Künstlern. Die Wirkmächtigkeit seines Mäzenatentums wurde durchaus auch schon von Zeitgenossen wahrgenommen und honoriert, wie ein Gedenkbuch-Eintrag des eine Generation jüngeren Paul Sacher zeigt, für den Reinharts Agieren durchaus Vorbildwirkung hatte:
»Wer sich dereinst mit der Musikgeschichte und dem Schicksal der Musiker des 20. Jahrhunderts beschäftigt, wird immer wieder Ihrem Namen begegnen. Die musikalische Revolution, die sich während und nach dem ersten Weltkrieg abspielte, haben Sie teilnehmend und unterstützend verwirklichen helfen. Es gibt wohl kaum einen Künstler von Rang, der Sie nicht gekannt und Ihre Förderung nicht erfahren hätte.«2
Ein markanter Wesenszug des Schweizer Kaufmanns und Musikförderers war jedoch, sein Wirken unsichtbar zu machen. Er wirkte »unmerklich« und »einer wohltätigen unterirdischen Strömung« gleich, erinnerte sich der Dirigent Hermann Scherchen in einem Nachruf.3 He