: Thorsten Franz
: Jagdrecht Sachsen-Anhalt für Jagdschüler, Jäger und Jagdgenossen
: Books on Demand
: 9783757836214
: 1
: CHF 4.40
:
: Öffentliches Recht, Verwaltungs-, Verfassungsprozessrecht
: German
: 424
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Jagdschüler und Jäger benötigen eine sichere Kenntnis des Jagdrechts. Jagdgenossen sollten die wichtigsten Regelungen kennen, die ihre Jagdgenossenschaft betreffen. Vor allem für diese drei Gruppen stellt der Autor das in Sachsen-Anhalt geltende Jagdrecht einfach und klar, aber ohne Einbuße an juristischer Präzision dar. Das Buch ist auch für Juristen geeignet, denn es enthält in den Fußnoten Paragrafenangaben, viele Hinweise auf Rechtsfragen, Rechtsprechung und Literatur. Ebenfalls enthalten sind eine Vorschriftensammlung und Prüfungsfragen zur Jägerprüfung.

Dr. iur. habil. Thorsten Franz ist Professor für Öffentliches Recht (insbes. Bau-, Planungs- und Umweltrecht) an der Hochschule Harz in Halberstadt. An der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg wurde er zum außerplanmäßigen Professor ernannt. In den Gebieten Abgaben-, Bau-, Forst-, Jagd- und Naturschutzrecht sowie Geschichte der Forstverwaltung hat er zahlreiche Bücher veröffentlicht.

b) Jagdgenossenschaft

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Im gemeinschaftlichen Jagdbezirk bilden die Eigentümer179 der zusammengeschlossenen Grundflächen (die „Jagdgenossen“) eineJagdgenossenschaft.180 Sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts181 unter derAufsicht der Jagdbehörde182. Es besteht im Grundsatz Pflichtmitgliedschaft.183 Aufgabe der Genossenschaft ist es, ihr Jagdausübungsrecht am gemeinschaftlichen Jagdbezirk gemeinschaftlich zu nutzen und zu verwalten.184

Ihre Organe sind Jagdvorstand und (Mitglieder- bzw.) Genossenschaftsversammlung. DerJagdvorstand besorgt die laufende Geschäftsführung und vertritt die Genossenschaft gerichtlich wie außergerichtlich.185 Er führt die Beschlüsse der Genossenschaft aus.186 Der Jagdvorstand wird von den Mitgliedern der Jagdgenossenschaft gewählt.187 Meist ist eine Amtszeit von vier Jagdjahren vorgesehen.188 Hat die Genossenschaft die von der obersten Jagdbehörde veröffentlichte Mustersatzung beschlossen, ist der Vorstand dreigliedrig und besteht aus Vorsitzendem, Schriftführer und Kassenführer.189 Die Vorstandsmitglieder müssen nicht Jagdgenossen sein.190

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Solange die Jagdgenossenschaft keinen Jagdvorstand gewählt hat, nimmt der „Gemeindevorstand“ die Geschäfte der Genossenschaft als sog.Notvorstand wahr.191 Dies gilt auch dann, wenn die Wahl unwirksam war oder die Amtszeit abgelaufen ist.192 In Sachsen-Anhalt ist Notvorstand kraft ausdrücklicher Regelung der Hauptverwaltungsbeamte der Gemeinde, das heißt der Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister.193 Ihm stehen alle Kompetenzen eines gewählten Jagdvorstandes zu.194

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Oberstes Organ der Genossenschaft ist nicht der Vorstand, sondern dieMitgliederversammlung.195 Soweit nichts anderes durch Satzung oder Beschluss geregelt ist, entscheidet die Versammlung über die Nutzung der Jagd,196 d.h. überAbschluss, Änderung, Verlängerung oder Beendigungvon Pachtverträgen. Im Hinblick auf das Auswahlverfahren197 und die Auswahlkriterien198 besitzt die Genossenschaft einen großen Spielraum. Nicht auf den Vorstand übertragbar ist ihre Aufgabe, über dieVerwendung des Reinertrags (d.h. Einnahmen abzüglich notwendiger Kosten)199 der Verpachtung zu beschließen.200 Die Versammlung kann den Reinertrag nach dem Verhältnis der Flächenanteile ihrer beteiligten Grundstücke auf die Jagdgenossen verteilen (Verteilung nach Flächenanteilen) oder eine teilweise oder völlige anderweitige Verwendung beschließen (für Biotopverbesserung, Landschaftspflege etc.). Unzulässig ist es, den Ertrag nicht nach den Flächenanteilen auf die Eigentümer, sondern nach der Ergiebigkeit bzw. dem jagdlichen Wert der Flächen zu verteilen.201

Jeder Jagdgenosse kann allerdings verlangen, dass ihm sein rechnerischer Anteil am Reinertrag ausbezahlt wird (sog.Auskehrungsanspruch).202 Sofern der Anspruch nicht bereits im Voraus schriftlich geltend gemacht wurde, muss er schriftlich oder zur Niederschrift beim Jagdvorstand binnen eines Monats nach der Bekanntmachung des Beschlusses, dass der Reinertrag nicht ausschließlich nach den Flächenanteilen verteilt wird, geltend gemacht werden.203 Im Übrigen kann der Jagdgenosse durch schriftliche Erklärung unbefristet bis auf Widerruf verlangen, dass ihm stets der Reinertrag nach seinem Flächenanteil ausbezahlt wird.204 Der Auszahlungsanspruch für das jeweilige Jagdjahr verjährt nach drei Jahren.205 Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ablauf des Jagdjahres.

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Die Jagdgenossenschaft muss eineSatzung beschließen.206 Die Satzung bedarf der jagdbehördlichen Genehmigung.207 Beschließt die Genossenschaft die vom (für das Jagdwesen zuständigen) Ministerium erlassene Mustersatzung, reicht die Anzeige des Beschlusses aus.208 Die Mustersatzung ist auch für diejenigen Jagdgenossenschaften verbindlich, die innerhalb einer von der Jagdbehörde gesetzten Frist keine ausreichende Satzung aufgestellt haben.209

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Die Satzungen der Jagdgenossenschaften sehen in der Regel vor, dassmindestens einmal im Jahr eine Sitzung der Genossenschaftsversammlung stattfindet.210 Besteht ein Hindernis, handelt der Vorstand in Notgeschäftsführung.211 Ist die Art und Weise der Ankündigung der Sitzung nicht durch Satzung geregelt, muss in geeigneter Weise eingeladen werden. Dies erfordert zumindest die ortsübliche Verkündung derEinladung samt Tagesordnung212 in der Gemeinde (bzw. Stadt), in deren Gebiet sich der gemeinschaftliche Jagdbezirk befindet. Ortsfremde haben nach herrschender Ansicht keinen Anspruch auf persönliche Einladung.213 Die Mitgliederversammlung entscheidet innicht-öffentlicher Sitzung.214 Sofern nicht einstimmig die Öffentlichkeit oder bestimmte Nicht-Jagdgenossen zugelassen werden, dürfen daher nur die Jagdgenossen an der Sitzung teilnehmen.215

Alle Beschlüsse der Genossenschaft bedürfen sowohl der Mehrheit der abgegebenen Stimmen als auch der Mehrheit der bei der Abstimmung vertretenen Grundflächen (Prinzip der doppelten Mehrheit).216 Ob die Mehrheit erreicht wurde, ist anhand des von der Genossenschaft zu führenden Jagdkatasters zu überprüfen.217 Jagdgenossen können sich durch andere bei der Stimmabgabe vertreten lassen, jedoch bedarf dies einer schriftlichen Vollmacht, auf derdie Unterschrift amtlich beglaubigt wurde.218 Verfahrensfehler bei der Abstimmung führen nur dann zur Unwirksamkeit des von der Jagdgenossenschaft gefassten Beschlusses, wenn sie sich auf das Ergebnis der Abstimmung ausgewirkt haben.219 Liegen mehrere Beschlussanträge zu einem Tagesordnungspunkt vor, richtet sich die Reihenfolge der Beschlussfassung nach der Geschäftsordnung. Enthält diese hierzu keine Regelung, obliegt der Versammlung in sachgerechter Weise die Reihenfolge der Abstimmungen zu entscheiden.220

Im Übrigen steht jedem Jagdgenossen ein ungeschriebener Auskunftsanspruch gegen die Jagdgenossenschaft zu, wenn die Auskunft eine Voraussetzung effektiver Wahrnehmung seiner Ansprüche aus dem Mitgliedschaftsverhältnis ist,221 etwa um seinen Anteil am Reinertrag zu beziffern222. Der Jagdgenosse kann seine Mitgliedschafts- und Mitwirkungsrechte notfalls im Weg der Klage oder einstweiligen Anordnung durchsetzen.223

c) Ruhen der Jagd, Befriedeter Bezirk

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Im Eigenjagdbezirk kann der Eigentümer mit Zustimmung der Jagdbehörde die Jagd ruhen lassen.224 Im gemeinschaftlichen Jagdbezirk kann die Jagdgenossenschaft das Ruhen der Jagd mit Zustimmung der zuständigen Jagdbehörde anordnen.225

Unabhängig von solchen Anordnungen ruht die Jagd auf Grundflächen, die zu keinem Jagdbezirk gehören und innerhalb sog.befriedeter Bezirke.226 Befriedete Bezirke sind Gebäude, Hofräume und Hausgärten, die an eine Behausung227 anschließen und durch eine Umfriedung begrenzt sind (i.d.R. nicht: Landschaftsparks228 und Streuobstwiesen229),230 Friedhöfe231, sonstige bebaute Flächen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans und Flächen innerhalb einer geschlossenen Bebauung232 sowie Schaugehege233 und Sportplätze.234 Die Jagdbehörde kann weitere Flächen zu befriedeten Bezirken erklären.235 So können etwa Baumschulen, Fischteiche, Golfplätze oder Landschaftsgärten befriedet werden.236 Die Entscheidung ergeht auf Antrag der jeweiligen Grundeigentümer oder Nutzungsberechtigten oder von Amts wegen.

Anders als die jagdbezirksfreien Flächen gehören befriedete Bezirke zu einem Jagdbezirk,237 obwohl auf ihnen im Grundsatz die Jagd ruht (!). Ihre Eigentümer sind gleichwohl keine Mitglieder der Jagdgenossenschaft.

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Im befriedeten Bezirk ist dieJagdausübung grundsätzlich verboten. Die Jagd darf dort nur mit besonderer Gestattung der Jagdbehörde ausgeübt werden.238 Die Gestattung kann etwa erteilt werden, um Prädatoren zu bekämpfen, Wildschäden abzuwehren, Menschen vor Seuchengefahren oder vor sonstigen vom Wild ausgehenden Gefahren zu schützen.239 Selbst...