Kapitel 3
Rafael
»Nicht so viel, Mama.« Ich lege die Hand über den Teller, als sie mir gerade die dritte Kelle Eintopf auffüllen will.
»Ach komm schon, mein Junge. Wenn du schon mal zum Essen kommst, musst du mir auch erlauben, dich zu verwöhnen.« Sie verschiebt beleidigt die Mundwinkel.
»Na gut.« Ich nehme grinsend die Hand vom Teller. »Wenn es dich glücklich macht.«
Zufrieden befüllt sie meinen Teller und setzt sich mir gegenüber an den kleinen Holztisch. »Ist das nicht ein herrliches Wetter? Ich bin so froh, dass wir endlich mal wieder im Garten essen können.« Sie nimmt einen Schluck aus ihrem Wasserglas. »Schade nur, dass dein Vater arbeiten muss. Gerade gestern Abend hat er noch darüber geschimpft, dass wir dich viel zu selten sehen. Man könnte glatt vergessen, dass du im Nachbarort wohnst, Rafael.«
»Du weißt, dass ich viel zu tun habe, Mama.«
»Viel zu tun? Du hast deine Firma vor ein paar Jahren verkauft. Seitdem arbeitet dein Geld für dich – das waren deine Worte, mein Lieber.«
»Trotzdem erwerbe ich immer wieder Anteile an anderen Firmen. Das alles muss sehr genau getaktet und durchdacht sein.«
Sie hebt skeptisch die Augenbrauen, während sie schweigend auf ihrem Teller herumrührt. Der Ansatz ihres schulterlangen, kastanienbraunen Haars schimmert silbern, was mir einmal mehr in Erinnerung ruft, dass sie bereits die Sechzig überschritten hat. Ihre sportliche Figur und das herzliche Lachen lassen sie jedoch höchstens wie Anfang fünfzig wirken.
»Du solltest dir nicht immer so viele Sorgen um mich machen«, sage ich, sehr wohl wissend, was ihr wieder mal durch den Kopf geht.
»Ich mache mir keine Sorgen.« Sie führt den Löffel zum Mund, während sie nach den richtigen Worten sucht. »Ich frage mich nur, ob es dich wirklich glücklich macht, keine richtige Aufgabe zu haben.«
Ich lache. »Alle Mütter machen sich Sorgen, ob ihre Kinder eine vernünftige Ausbildung haben und später genügend Geld verdienen werden. Aber du bist echt eine sehr interessante Ausnahme, Mama. Ich habe mehrere Millionen mit dem Verkauf meines Unternehmens gemacht – und du guckst mich trotzdem jedes Mal an, als wäre ich ein drogensüchtiger Rumtreiber, der gerade so über die Runden kommt.«
»Du weißt, dass ich stolz auf dich bin.« Sie neigt den Kopf zur Seite, den Blick noch immer fest auf mich gerichtet. »Aber ich glaube einfach, dass jeder Mensch eine Aufgabe im Leben braucht. Du musst doch neue Ideen haben, Pläne – irgendetwas, das dich morgens dazu bringt, das Haus zu verlassen.«
»Es geht mir gut, Mama.« Ich streichele ihre Hand. »Wirklich. Nur weil ich zum Arbeiten nicht das Haus verlassen muss, heißt das nicht, dass ich nichts zu tun habe. Andere Leute wären froh, wenn sie sich der täglichen Hamsterrad-Maschinerie entziehen und einfach ihren Traum leben könnten.«
»Aber du wirkst immer so ernst, mein Junge.« Sie seufzt. »Früher warst du immer so voller Tatendrang, hast ständig wie ein Wasserfall über deine neuen Projekte geplappert. Und auch wenn ich davon immer nur die Hälfte verstanden habe, hat es mich glücklich gemacht, wenn du glücklich warst.«
»Ichbin glücklich.« Ich straffe meinen Rücken und nehme einen großen Löffel vom Eintopf. »Schon allein, weil es wahnsinnig guttut, niemals Geldsorgen zu haben. Und du weißt, falls Papa endlich in Rente gehen will, ich könnte euch finanziell unter die Arme greifen. Es wäre kein Problem, wenn er ...«
»Rente?«, fällt sie mir mit lautem Lachen ins Wort. »Du kennst doch deinen Vater. Man wird ihn schon mit Gewalt aus seinem Zug zerren müssen, um ihn zum Aufhören zu bewegen.«
»Ich weiß, dass er seinen Job liebt. Aber er wird nicht jünger – und ich würde mich freuen, endlich auch mal etwas Gutes für euch tun zu dürfen.«
»Uns geht es gut, mein Junge. Wir haben alles, was wir brauchen. Dieses riesige Haus am Strand mag ja zu dir passen, aber wir brauchen keinen Luxus. Uns reicht, was wir haben.«
»Ich rede ja auch nicht von Luxus, sondern ...« Ich lege den Löffel zur Seite. »Ach, nicht so wichtig. Tut mir leid, dass ich schon wieder davon angefangen habe.«
Schweigend lasse ich meinen Blick durch den farbenfroh