: Carolin Philipps
: Therese von Thurn und Taxis Eine Fürstin zwischen Unterordnung und Emanzipation
: Piper Verlag
: 9783492603294
: 1
: CHF 10.90
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 400
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Frau, die mit Napoleon verhandelte Therese von Thurn und Taxis (1773 - 1839), Schwester der Königin Luise von Preußen und Patentante Königin Thereses von Bayern, trat durch ihre Heirat mit Prinz Karl Alexander in die Familie des kaiserlichen Postunternehmens ein. Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches 1806 war es Therese, die versuchte, das Vermögen zu retten, indem sie in Paris mit Napoleon verhandelte. Seinen Ausspruch: »Die Fürstin ist der einzige Mann im Hause Thurn und Taxis!« kann man durchaus als Kompliment werten. Carolin Philipps gelingt es, diese hochinteressante Frau mit all ihren Facetten darzustellen.

Carolin Philipps, geboren 1954, studierte Englisch und Geschichte in Hannover und Bonn. Heute lebt sie als freie Autorin in Hamburg und hat sich auf historische Biografien starker Frauen spezialisiert. Zuletzt erschienen von ihr die erfolgreichen Bücher »Friederike von Preußen. Die leidenschaftliche Schwester der Königin Luise«, »Luise. Die Königin und ihre Geschwister« sowie »Anna Amalia von Weimar. Regentin, Künstlerin und Freundin Goethes«.

1.
Familienleben in Hannover und Darmstadt


»Empfehlungen mache von mir an die ganze von mir so geliebte Stadt Hannover und an alle ihre Einwohner, die sich meiner erinnern.«

 

Diese dringliche Bitte schrieb die 14-jährige Therese am 2. Mai 1787 aus Darmstadt an ihren 8-jährigen Bruder Georg in Hannover. Er sollte vor allem den »geliebten Karl«, ihren knapp 2-jährigen Halbbruder, und einige ihr nahestehende Mitglieder des Hofstaates grüßen, außerdem »ans ganze Haus, nochmal an ganz Hannover, an alledem, was ich gerne hätte und liebe, vergesse niemand, ich bitte dich«.[6]

Zu diesem Zeitpunkt wohnte Therese bereits seit einem Jahr mit ihren zwei jüngeren Schwestern in Darmstadt bei ihrer Großmutter, während ihre beiden Brüder beim Vater in Hannover geblieben waren, wo Karl von Mecklenburg-Strelitz (1741 – 1816) seit 1768 Militärgouverneur im Namen seines Schwagers, des englischen Königs Georgs III., war. Therese vermisste allerdings weniger die Stadt und deren Einwohner als vielmehr die Zeit, in der sie mit ihren Eltern und ihren insgesamt fünf Geschwistern dort noch glücklich zusammenleben konnte, bevor der Tod von Mutter und Stiefmutter und die Heirat ihrer ältesten Schwester die Familie auseinanderriss.

Die Ehe ihrer Eltern gehörte zu den eher seltenen Ausnahmen in einer Zeit, in der eine solche Verbindung zumeist aus machtpolitischen Erwägungen der Verwandten geschlossen wurde und vor allem die betroffenen Frauen keinerlei Mitspracherecht hatten. »Von ihrer bescheidenen Mutter hat sie die Grazie, die Augen voller Geheimnis.« So beginnt das selbst geschriebene Gedicht über die erste Begegnung, das Thereses Vater seiner Frau Friederike von Hessen-Darmstadt zur Hochzeit schenkte. Er beschreibt in französischen Versen, wie sie errötete und er sich fragte, ob sie das Feuer der Leidenschaft in ihm bemerke, und wie sich dann ihre Blicke fanden. Das Gedicht ist in einer Abschrift Friederikes vom Original erhalten, die sie ihrem Mann zum ersten Hochzeitstag geschickt hatte, damit er sich »immer an die erinnert, der er das Gedicht geschenkt hat und die keine größere Freude in ihrem Leben kennt, als sein Leben zu sein«.[7]

Therese Mathilde Amalie wurde am 5. April 1773 im Alten Palais in Hannover geboren, ihre ältere Schwester Charlotte (1769 – 1818) war zu diesem Zeitpunkt dreieinhalb Jahre alt. Die beiden Kinder, die dazwischen geboren wurden, starben bereits im Kleinkindalter. Insgesamt brachte die Mutter in 14 Ehejahren zehn Kinder zur Welt, von denen fünf überlebten, neben Charlotte und Therese, Luise (1776 – 1810), Friederike (1778 – 1841) und Georg (1779 – 1860).

In Hannover war die Familie Teil einer Gesellschaft, die von der strengen, steifen Etikette des englischen Hofes geprägt war. Trotzdem gelang es der Mutter, ein Familienleben aufzubauen, das eher an das fröhliche, unkonventionelle erinnerte, welches sie aus ihrer Heimat in Darmstadt gewohnt war. Geburtstagsfeste wurden mit kleinen Theateraufführungen im Familienkreis gefeiert. So zum Beispiel am Geburtstag der Mutter am 20. August 1779 ein Stück, in dem die 3-jährige Luise als Amor, ihre beiden älteren Schwestern Charlotte und Therese als Vestalinnen auftraten.[8]

Von Therese liegen uns zwei sorgfältig in deutscher Kurrentschrift[9] auf einem Schmuckblatt verfasste Briefe vor, die sie mit sieben Jahren an ihre Mutter geschrieben hat:

 

»Dank und Liebe

Sind die Triebe

Die mein Herz darbringt

Sei so glücklich

Als mich lieblich

Deine Gnad durchdringt

Mathilde«[10]

 

»Liebe Mutter,

ich liebe Dich von ganzem Herzen,

gratuliere zu Deinem mir so angenehmen Geburtstag und freue mich der Gesundheit meines lieben Schwesterchens.

Therese«[11]

 

Ihre Mutter überlebte die Geburt des zehnten Kindes nicht. Sie starb am 22. Mai 1782 mit knapp 30 Jahren, und so war Thereses Vater mit 40 Jahren Witwer mit fünf Kindern im Alter zwischen zwei und zwölf Jahren. Zwei Jahre später heiratete er Charlotte, die jüngere Schwester seiner verstorbenen Frau, die den Kindern von den Besuchen in Darmstadt vertraut war. Geheimrat Johann Heinrich Merck aus Darmstadt kommentierte: »Wir glauben hier alle einmütig, daß sein Herz in einer platonischen Freundschaft befangen gewesen [ist].« Wenn er nur für sich zu entscheiden gehabt hätte, wäre diese Vermählung wohl nicht geschehen. Aber da waren seine Kinder, die eine Mutter brauchten.[12]

Das Jahr 1785 brachte erneut große Veränderungen. Die 15-jährige Charlotte erhielt im Juni ein Schreiben, in dem Prinz Joseph von Sachsen-Hildburghausen, ein Großonkel, im Namen seines Neffen um ihre Einwilligung zur Hochzeit bat. Es war eine arrangierte Ehe, denn Karl von Mecklenburg-Strelitz hatte vier Töchter, die er möglichst vorteilhaft verheiraten musste. Für die Geschwister stand damit ein weiterer Abschied bevor. Bereits drei Monate später verließ Charlotte ihre Familie, um im mehrere Hundert Kilometer entfernten Hildburghausen den 22-jährigen Friedrich von Sachsen-Hildburghausen zu heiraten, einen Mann, von dem sie nicht mehr als den Namen kannte.

Im Dezember starb auch die zweite Frau Karl von Mecklenburg-Strelitz’ bei der Geburt ihres einzigen Kindes Karl (1785 – 1837). »Ihr Mann ist mehr tot als lebendig. Ich bedaure ihn von ganzer Seele. Zwei Frauen, die im Wochenbett sterben«, schrieb die neue Erzieherin Salomé de Gélieu.[13]

Der Vater entschied sich daraufhin, seine jüngeren Töchter mit der Erzieherin nach Darmstadt zu schicken, damit sie im Stadtpalais bei der verwitweten Großmutter aufwuchsen. Seine beiden Söhne behielt er zunächst in Hannover, bevor er mit ihnen 1787 auch nach Darmstadt zog. Er wusste aus eigener Erfahrung, dass sie dort die Geborgenheit finden würden, die er ihnen allein nicht bieten konnte.

Um 1780 hatte sich der Schriftsteller Johann Kaspar Riesbeck eine Weile in Darmstadt aufgehalten und war auch Gast bei den Großeltern Thereses gewesen, dem Prinzen Georg Wilhelm von Hessen-Darmstadt und seiner Frau Maria Luise Albertine zu Leiningen-Dagsburg-Falkenburg, »Prinzessin Georges« genannt. Riesbeck hielt dabei Folgendes in seiner Reisebeschreibung über seinen Besuch fest: »Es schwinden hier die Tage unter beständiger Abwechslung von stillen Vergnügungen. Die Zeit verfliegt unbemerkt bei so gesellschaftlichem Leben; denn in Wahrheit kann man unter seinesgleichen nicht viel gesellschaftlicher und ungezwungener leben als unter dieser zahlreichen fürstlichen Familie […] Und wie diese fürstlichen Personen wechselweise miteinander umgehen, daran sollten sich viele Familien ein Beispiel nehmen. Es ist ein wahres Muster von freundschaftlichem und liebevollem Betragen, eine Folge der Güte des Herzens, womit diese Familie beglückt zu sein scheint.«[14]

Im Mittelpunkt dieses Familienlebens stand Thereses Großmutter, temperamentvoll und sehr redselig, sodass in Darmstadt die Redensart entstand: »Sie schwätzt wie Prinzessin Georges.« Sie hatte selber eine Kindheit ohne den Zwang der höfischen Etikette erlebt und erzog ihre Kinder und Enkel nach der Maxime: »Freudigkeit« ist »die Mutter aller Tugenden«.[15]

Als ihre Enkelinnen im Mai 1786 nach Darmstadt kamen, war Prinzessin Georges Mitte 50 und seit drei Jahren Witwe. Sie lebte weiterhin zusammen mit ihrer jüngsten Tochter Auguste und ihrem Sohn Georg, dem Lieblingsonkel der Kinder, im Alten Palais am Marktplatz, das die Kinder aus früheren Besuchen bereits kannten und das nun für sie zur neuen Heimat wurde. In ihren späteren Briefen spiegelt sich die große Dankbarkeit der Schwestern gegenüber dieser Frau wider, die ihnen die beiden verstorbenen Mütter ersetzte. »Chère Maman« und »Mabuscha« nannten sie sie. Luise schrieb ihr 1803 nach einem Besuch mit den Schwestern in Darmstadt: »Ich war im lieben Darmstadt, ich kam bei dem lieben Palais vorüber, und tausend köstliche Erinnerungen und die vollkommenste Dankbarkeit erfüllten mein Herz. Ich war so gerührt beim Anblick dieser teuren Stätten und bei dem Gedanken an Ihre Güte und an Ihre Fürsorge, daß ich in Tränen das Schloß erreichte.«[16] Zu diesem Zeitpunkt lebte die Großmutter schon nicht mehr dort. Karl von Mecklenburg-Strelitz hatte sie 1794, nachdem er in der...