: Adriano Sack
: Gebrauchsanweisung für die USA
: Piper Verlag
: 9783492603195
: 1
: CHF 12.70
:
: Nord- und Mittelamerika
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der Wegweiser für die amerikanische Wirklichkeit Die USA sind ein Land, das täglich neu überrascht und berauscht, zum Lachen bringt, verärgert und fasziniert. Wie man es verstehen und sogar lieben lernt, das verrät Amerika-Experte Adriano Sack. Er reist mit uns von der Ost- zur Westküste und zu allem, was dazwischen liegt. Gemeinsam erkunden wir ein vielschichtiges Staatensammelsurium, das vor allem in den letzten Jahren zahlreichen Umbrüchen unterworfen war - politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Adriano Sack macht sich auf, die Lage zu erkunden und ein aktuelles Porträt dieses widersprüchlichen Landes zu zeichnen. Aktualisierte und erweiterte Ausgabe »Eine unendliche Vielfalt, die uns lustvoll nahezubringen das größte Verdienst dieses Buches ist.« Berliner Morgenpost

Adriano Sack, geboren 1967 in Köln, Schriftsteller und Journalist, war Redakteur bei Tempo und kulturSpiegel, leitete das Kulturressort der Welt am Sonntag und war Chefredakteur des BMW Magazins. Seit Beginn der Neunziger bereist Adriano Sack die USA immer wieder ausgiebig; fünf Jahre war das New Yorker East Village sein Zuhause. Heute lebt er in Berlin, wo er seit Oktober 2015 Ressortchef Stil bei der Welt am Sonntag ist.

Wie bereite ich mich vor?


Lassen Sie uns vorab eine Reise durch Amerika machen, und zwar in Fernsehserien. Natürlich muss sich nicht jeder die Mühe machen, alle hier kurz vorgestellten Serien vor dem ersten Trip in dieUSA in Gänze zu schauen. Zumal es bei einigen auch gar nicht so einfach ist, die zum Teil angejahrten Erzeugnisse in dem modernen Gestrüpp aus Streamingdiensten zu finden (mit ein bisschen Mühe sollte es aber klappen). Doch wenn man seine Abende in den letzten Jahren und Jahrzehnten zumindest gelegentlich mit Serien verbracht hat, hat sich vielleicht sowieso unmerklich ein Mosaik zusammengesetzt, das ein ziemlich komplettes und erstaunlich treffendes Bild der Vereinigten Staaten zeichnet.

Vor meinem Umzug nach New York vor vielen Jahren habe ich, halb im Scherz, fast alle Folgen der Serie »Sex and the City« gesehen, um mich in den Humor und die Alltagskultur dieser Stadt einzufinden. Ich hatte trotzdem nicht erwartet, dass ich meine Nachmittage in Manhattan mit ein paar Cosmopolitans und Prominenten am Nachbartisch vertrödeln würde, und so kam es dann auch nicht. Aber viele Beobachtungen und Betrachtungen fanden sich so oder so ähnlich in der Wirklichkeit wieder – von der Fleet Week, wenn junge Matrosen die Stadt fluten, bis zur lebenswichtigen Frage nach dem besten Cupcake. Falls es einen in die öden Weiten von North Dakota verschlägt, werden sich unweigerlich die grotesken und scharfsichtigen Bilder aus »Fargo« im Kopf abspielen. Und wer vor einem Club in Miami Beach goldbehängte Männer und leicht bekleidete Frauen aus ihren Limousinen hat steigen sehen, der kennt diesen Anblick bereits aus »Miami Vice«.

Wobei sich in Amerika noch stärker als sonst die Frage stellt, ob die Wirklichkeit nicht auch die Kunst imitiert. Also anders gesagt: ob nach der Serie »Gossip Girl« die reichen Teenager in Manhattan ihren Fernsehvorbildern nacheiferten, was Intrigen und Statussymbole betrifft. Vermutlich hat man es hier mit Wechselwirkungen zu tun. Die (echte) Teenagerbande jedenfalls, die in Hollywood die Häuser von Prominenten ausraubte, um an teure Handtaschen, Schuhe und Klamotten zu kommen, verarbeitete Sophia Coppola wieder zu dem Film »The Bling Ring«.

Eine derartige Liste kann nicht vollständig sein – der »Denver Clan« fehlt ebenso wie die im Atlantic City der Prohibition spielende Serie »Boardwalk Empire« –, aber sie könnte eine Anregung sein, nicht nur Reiseführer und Empfehlungswebsites zu konsultieren. Sondern auch auf das Talent der Amerikaner zurückzugreifen, sich selbst zu porträtieren und zu karikieren.

 

New York: »Sex and the City« Es gibt viele gute Argumente gegen diese Serie: Sie handelt von vier wohlhabenden weißen Frauen, deren Hauptinteressen Drinks undgossip, Designermode und die Suche nach dem Mann fürs Leben sind. Die Kinofilme sind erschütternd unlustig, und die Nachfolgeserie »Just Like That« versuchte sich allzu krampfhaft darin, mit der Zeit zu gehen. Wenn man aber New York als einen Märchenort der Neurosen und Sehnsüchte sehen will, dann hatSATC Tempo, Witz und die angemessene Vergötterung für die Stadt, in der sie spielt und von deren Spirit sie lebt.

 

Maryland: »The Wire« In den Bestenlisten der Kritiker rangierte diese Serie von 2002 bis 2008 stets auf einem der Spitzenplätze. Die urbane Verwüstung, die Verstrickung von Gut und Böse und der grassierende Rassismus werden in komplexen Handlungsbögen erzählt. Ohne Untertitel ist der deutsche Zuschauer aufgeschmissen. »The Wire« zeigt Baltimore in Maryland als hoffnungslose Ruine des postindustriellen Amerikas – nur ein paar Hundert Meilen von dessen Hauptstadt Washington entfernt.

 

Missouri: »Ozark« Das grandiose Berg- und Flusspanorama Missouris spielt eine Hauptrolle in dieser Serie, nämlich als vermeintlich idealer Ort für diskrete Geldwäsche. Das hofft zumindest der Finanzberater Marty Byrde, der mit seiner Familie aus Chicago in diese scheinbare Idylle flieht, um seinen Schuldenberg abzubauen. Gelingt natürlich nicht, denn in der Idylle, das zieht sich durch die Landschaft amerikanischer Serien, warten hausgemachte und fremde Abgründe.

 

North Dakota: »Fargo« Die Ödnis der Landschaft und die unerbittliche Kälte des Winters haben den Film der Coen-Brothers geprägt und ebenso die Serie, die knapp zwanzig Jahre später gedreht wurde. Was oft genug schiefging, ist den Brüdern meisterhaft gelungen: Die Serie zitiert den Film, erzählt aber ganz eigene Geschichten über wüste Bandenkriege, gescheiterte Familienidyllen, kleinen und großen Wahnsinn. Die Moral, wenn man bei den Coen-Brothers davon sprechen kann, ist immer die gleiche: DieUSA sind auf Blut gegründet, und am Ende gewinnt immer der dickere Fisch.

 

Nordkalifornien: »Big Little Lies« Reese Witherspoon gilt als reichste Schauspielerin Hollywoods. Sie hat das erreicht, indem sie erfolgreich auf, nun ja, Frauenstoffe gesetzt hat. Sie war die von einer Nachfolgerin bedrohte Moderatorin in »The Morning Show« und koproduzierte unter anderem »Little Fires Everywhere« und »Big Little Lies«. Diese Serie, üppig besetzt mit Kolleginnen wie Nicole Kidman und Meryl Streep, spielt in Monterey, also in der malerischen Küstenregion Nordkaliforniens, wo fünf Mütter aus dem (selbst-)zufriedenen linksliberalen Bürgertum in einen mysteriösen Mordfall verwickelt werden.

 

Florida: »Miami Vice« Zugegeben ein sehr nostalgisches Vergnügen, und der Humor dieser Serie (1984–1989) ist nicht gut gealtert. Aber Miami ist eine interessante Stadt: die vielleicht tropischste in denUSA und wegen der Nähe zu den Drogen aus Mittelamerika auch eine der umkämpftesten. Die beiden Detectives in Ferraris und bonbonfarbenen Klamotten sind natürlich Märchenprinzen, in dem sehr sehenswerten Kinofilm von 2006 hat sich ihre Welt deutlich verdunkelt. Speedboats, schöne Frauen und schnelle Autos allerdings gibt es dort auch noch.

 

Texas: »Dallas« Zu Zeiten des Analogfernsehens (wenige Sender, feste Zeiten) war diese Serie eine weltweite Sensation. Sie zeigt ironischerweise ein Amerika, wie es sich seine Kritiker ausmalten. Die Charaktere sind entweder Langweiler (Clanmutter Miss Ellie, Sohn Ray) oder Teufel (allen voran Superschurke J. R. Ewing). Und praktisch alle sind reich, leben aber in einer Tristesse aus piefiger Familienfarm und dem Cattleman’s Club, wo Cowboystiefel und Whiskeyglas zur Grundausstattung gehören. Die subversive, fast Brecht’sche Botschaft: Wir alle drücken dem Bösesten die Daumen.

 

Washington: »Twin Peaks« Einfreak accident der Fernsehgeschichte. Regisseur David Lynch verwandelte die Kleinstadt Snoqualmie im dauerverregneten Washington State in einen Ort der schwarz-grauen Magie und der verdrehten Charaktere. Offiziell geht es um den rätselhaften Tod der schönen Laura Palmer, aber genauso geht es um Kirschkuchen und den Wahnsinn, der in der schlichtesten Blockhütte lauert. »Twin Peaks« bewies lange vor dem Siegeszug der »Sopranos«, dass im Fernsehen wirklich alles möglich ist. Der geniale Soundtrack von Angelo Badalamenti, dem Richard Clayderman der 90er, beförderte die Karriere des Technomusikers Moby, der »Laura Palmer’s Theme« zu seinem ersten Welthit »Go« umstrickte.

 

Louisiana: »True Blood« Eine Horrorserie (2008–2014) in der irrlichternden Sumpflandschaft von Louisiana. Die Vampire haben ihre Menschenjagd aufgegeben und ernähren sich von Dosenblut (»True Blood«), andere Horrorwesen mischen sich ein, und natürlich gibt es Blutsauger, die sich mit dieser Abstinenz nicht abfinden mögen. Eine Parabel auf dieAIDS-Krise, auf den Rassismus, auf die Unergründlichkeit der Südstaaten? Von allem ein bisschen. Die Titelsequenz ist zeitlos schön: mit überfahrenem Opossum, Flusstaufe und dem Lied »I Wanna Do Bad Things With You« von Jace Everett.

 

Massachusetts: »Mindhunter« Amerika ist besessen von seiner dunklen Seite. Von den Anfängen der Kriminalpsychologie in den 70er-Jahren erzählt diese Serie (2017–2019), die auf echten Ermittlern und Fällen beruht. Bei dem Versuch, das Wesen und Vorgehen von Serienmördern zu verstehen, reisen zweiFBI-Agenten aus Boston durch die nach den blauäugigen und blutigen 60ern innerlich...