Kapitel 1
Laurent
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Es ist ein Morgen wie jeder andere und doch weiß ich es nach all den Jahren noch immer zu schätzen, meinen morgendlichen Kaffee auf der Hotelterrasse zu genießen.
Von hier aus hat man einen unverstellten Blick aufs Meer sowie einen direkten Zugang zum Strand. Eine Tatsache, die sicher entscheidend dazu beiträgt, dass unser Hotel so gut wie immer ausgebucht ist, selbst in der Nebensaison.
Ich nehme einen großen Schluck von meinem Kaffee, der eigentlich hauptsächlich aus Milch besteht. Eine Vorliebe von mir, über die sich Tom ständig lustig macht.
Es ist Anfang Juni und bereits wärmer als üblicherweise im Juli. Dementsprechend schnell füllt sich der Strand bereits um kurz nach acht am Morgen. Ich schaue dabei zu, wie sowohl Einheimische als auch Touristen ihre Handtücher in den Sand legen und ihre Strandmuscheln aufbauen. Manch Hartgesottene laufen auch schon ins Wasser, um ihre ersten Schwimmrunden zu drehen, während die Wellen sanft ans Ufer schäumen.
Irgendwo im Augenwinkel nehme ich einen großen Ball in Regenbogenfarben wahr, der gerade durch die Luft fliegt, während ein mittelgroßer Junge eifrig hinterhersprintet.
Kinderlachen, Pfiffe in der Ferne, Möwen, die um die Wette kreischen. Eine sanfte Meeresbrise, die meinen Unterarm streift.
Urlaubsfeeling pur. Und gleichzeitig meine Heimat – und zwar ziemlich genau seit dreißig Jahren. Denn sowohl Tom als auch ich haben unser direkt an der Ostsee gelegenes Heimatstädtchen Fleesenow niemals verlassen. Dafür lieben wir es bis heute viel zu sehr.
Ich nippe erneut an meinem Kaffeebecher, während ich mich unauffällig umschaue. Außer meinem sind um diese Uhrzeit ungefähr zehn Tische besetzt.
Auf der Terrasse befinden sich zweiundzwanzig quadratische Tische, die sich auf der großen, mit einem Bambusgitter umrandeten Marmorfliesenfläche verteilen. Die Quadratform hatten wir damals vorausschauend gewählt, um es zum Beispiel größeren Familien zu ermöglichen, zwei Tische zusammenzustellen. Wenn ich heute an das Gespräch mit Tom zurückdenke, der sich nur widerwillig von seiner Rundtisch-Argumentation abbringen ließ, kommt es mir wie eine Ewigkeit her vor.
Acht Jahre?
Ja, so lange ist es tatsächlich her, dass wir kurz vor der Eröffnung standen und uns mit den letzten Details der Innen- und Außeneinrichtung beschäftigten. Damals war ich gerade zweiundzwanzig und Tom sogar erst zwanzig. Ich höre noch wie heute Mamas Worte und meine heftigen Gegenworte, weil ich mir schon damals nur ungern in etwas reinreden ließ.
Ihr seid doch noch so jung. Wäre es nicht klüger, erst mal in anderen Hotels berufliche Erfahrungen zu sammeln, bevor ihr direkt ins kalte Wasser springt?
Wieso sollten wir? Du hast selbst gesagt, dass wir das Erbe von Onkel Theo für die Erfüllung großer Träume nutzen sollen – und das ist nun mal unser Traum.
Schon damals hat sie sich ständig Sorgen gemacht, dass wir uns übernehmen. Eine Sorge, die bis heute geblieben ist, ungeachtet der Tatsache, dass wir so gut wie immer ausgebucht sind und sogar schon über eine Vergrößerung des Hotels nachgedacht haben.
»Na, trinkst du deine Morgenmilch?« Tom zieht den zweiten Stuhl vom Tisch ab und setzt sich mit seinem Kaffee zu mir.
»Du siehst furchtbar aus.« Ich werfe ihm einen prüfenden Blick zu. »Scheint wohl wieder mal eine ziemlich lange Nacht gewesen zu sein. Setz lieber deine Sonnenbrille auf, bevor du noch die Hotelgäste versc