Kapitel 1
Das Mädchen im Spiegel
Sehnst du dich nach Anerkennung? Sehnst du dich nach Applaus? Sehnst du dich nach Bestätigung, nach Akzeptanz? – All das wird deinen Untergang bedeuten. Der Teufel wird schon dafür sorgen, dass du all das bekommst. Besonders früh, besonders in jungen Jahren, damit du dann zusammenbrichst, wenn du irgendwann keinen Beifall mehr erntest, nicht mehr bestätigt oder akzeptiert wirst und wenn du plötzlich unerwünscht bist.1
– Christine Caine
Das ist meine Geschichte.
«Ich mag klein sein, aber ich bin klug!»
Glaubt man meinen Eltern, dann machte ich diese Aussage im Alter von sechs Jahren. Ich war ein winziges Kind, immer im niedrigsten Bereich der Wachstumskurve des Kinderarztes, kleiner als alle anderen Kinder in meinem Alter. Meine Größe machte mich zu einem leichten Ziel für Spott. Es gab einen Jungen, der mich ständig «Zwerg» nannte, und in der sechsten Klasse wechselten sich meine Klassenkameraden gerne darin ab, mein Fußgelenk mit Daumen und Zeigefinger zu umfassen. Ich war so klein, dass ich als Attraktion auf dem Jahrmarkt hätte auftreten können, aber das störte mich nicht. Ich war selbstbewusst und hart im Nehmen. Ich wusste, dass ich mich behaupten konnte.
Als ich älter wurde, durchlebte ich die typischen tollpatschigen Jahre der Mittelstufe, aber mein Selbstbewusstsein blieb stark. Tatsächlich verließ es mich während der ganzen Highschool nicht, trotz einer heftigen, länger andauernden peinlichen Phase. Mein Selbstbewusstsein überrascht mich bis heute, denn ich warwirklich peinlicher als meine Schulkameraden. Ich weiß, dass jeder das über sich selbst sagt, aber bei mir ist es tatsächlich so gewesen. Nehmen wir nur mal meine Haare. Bis zu meinem ersten Jahr auf der Highschool war meine Frisur nur einen Scherenschnipp entfernt von einem Vokuhila – hinten lang, während sich mein Pony wie eine Schüssel um meine gesamte Stirn zog. Mein Pony war so breit, dass er bis weit hinter meine Ohren reichte. Meine Freunde nannten ihn daher den «Rundum-Pony». Von vorne hatte man den Eindruck, dass er meinen gesamten Kopf umgab. Von der Seite gesehen, erinnerte ich an den Billy Ray der frühen 90er.
Meine Frisur war reine Willkür – im Gegensatz zu den sorgfältig gestylten Haarschnitten meiner Schulkameradinnen. Über so etwas wie Haarschnitte dachte ich zu der Zeit schlicht und einfach gar nicht nach. Ich ließ mir die Haare in einem örtlichen Herrensalon schneiden, dessen Kundschaft ausschließlich aus Männern bestand. – Ein Umstand, der mir nicht zu denken gab. Ich dachte nie:Hm, das sind ja hier alles Männer mittleren Alters. Vielleicht sollte ich mir in so einem Laden nicht die Haare schneiden lassen. Solche Überlegungen lagen außerhalb meines Radars.
Dann waren da noch meine Zähne. Meine Zähne erforderten umfangreiche kieferorthopädische Eingriffe, inklusive «Headgear» (Drahtbogen mit Nackenzug) und Gaumenexpander. Mein Mund sah aus, als hätte ich mich mit einem Maschendrahtzaun angelegt.
Meine Outfits waren da schon eher typisch für die Mittelstufe. Jeden Monat durchkämmte ich die Seiten des «Teen»-Magazins, in der Hoffnung, die abgedruckten Bilder nachstellen zu können. Das war Jahrzehnte vor Pinterest, aber meine Outfits könnte man wohl als das 90er-Jahre-Äquivalent der heute bekannten «Pinterest Fails» beschreiben. In den Tagen des Grunge trug ich gelbe Bauarbeiterstiefel an meinen dürren Storchenbeinen, was mich wie einen Miniatur-Frankenstein aussehen ließ.
Das war ich. Ich war nicht die Hübscheste. Und falls du meinst, ich übertreibe: Es gibt Zeugen! Mit sechzehn Jahren entwuchs ich langsam meiner peinlichen Phase. Die Spange war weg, und der Rundum-Pony war rausgewachsen. So langsam sah ich doch tatsächlich wie ein menschliches Wesen aus. Eines Nachmittags, bei einer Familienfeier, servierte ich Punsch. Eine langjährige Freundin der Familie kam vorbei, um mich zu begrüßen. Ihre Tochter war in meinem Alter, wir waren gemeinsam aufgewachsen.
«Sharon, du siehst wunderschön aus!», rief sie. «Du bist zu einer so hübschen jungen Frau geworden.»
Ich wurde rot, aber es fühlte sich gut an. Normalerweise bekam ich keine Komplimente für mein Aussehen.
Doch dann sprach sie weiter: «Ich weiß noch, wie du früher immer zum Spielen zu uns gekommen bist, und ich dachte, ‹Sharon istso ein liebes Mädchen. Ich hoffe, sie wächst da noch raus›.Und das