: Werner Fleischer, Benedikt Fleischer, Martin Monninger
: Werner Fleischer, Benedikt Fleischer, Martin Monninger
: Gesprächsführung Band 2
: Kohlhammer Verlag
: 9783170357716
: 1
: CHF 17.60
:
: Pflege
: German
: 116
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mitarbeiterführung funktioniert über das Gespräch. Der Band zeigt auf, welche Gesprächsformen für Führungskräfte von besonderer Relevanz sind, wie das Feedbackgespräch, das Kritikgespräch oder das Krankenrückkehrgespräch geführt werden können und welche Rolle Emotionen im Arbeitsalltag spielen, wie Motivation erhalten und gelenkt werden kann und wie Mitarbeiterjahresgespräche gewinnend für alle Beteiligten und die Klinik am besten gelingen können.

Werner Fleischer, Dipl.-Pädagoge mit den Schwerpunkten Erwachsenenbildung und Psychologie, ist als selbständiger Berater, Coach und Moderator seit 1998 in Kliniken und Krankenhäusern tätig und seit 2004 allein auf diesen Bereich spezialisiert. Benedikt Fleischer, B.Sc. in Wirtschaftspsychologie, M.A. in Kulturwissenschaften, zertifizierter Trainer für das DISG-Verhaltens- und Arbeitsplatzprofile, Coach und Berater im Pflegebereich. Martin Monninger, examinierter Gesundheits- und Krankenpfleger, seit 2011 pflegerischer Leiter der Zentralen Notaufnahme Reutlingen, Kreiskliniken Reutlingen GmbH.

3          Gesprächstechniken richtig erkennen und einsetzen


 

 

 

»Die Wahrheit ist immer konkret«
Berthold Brecht Dramatiker, Librettist und Lyriker (1898 1956)

So wie es Leitlinien in der richtigen Pflege eines Patienten gibt, gibt es Leitlinien zur Gesprächsführung. Die Theorie hilft hier bei der praktischen Umsetzung. Gerade vor einem schwierigen Gespräch ist es wichtig, sowohl die theoretischen als auch die praktischen Leitfäden in der Vorbereitung zu kennen und dementsprechend zu berücksichtigen. Auch wer viel weiß, kann nicht einfach alles umsetzen und tun. Mit den Leitfäden wird jedes Gespräch einfacher.

3.1       Vor jedem Gespräch: Die richtige Atmosphäre schaffen


Ein Gespräch wird dann erfolgreich, wenn die Atmosphäre, die Umgebung und der Rahmen passen. Wenn eine Leitungskraft eine Pflegekraft zum Gespräch bittet oder zitiert, fühlt der Gerufene unter Umständen Stress: Was will meine Leitung von mir? Habe ich einen Fehler gemacht? Hoffentlich keine Veränderung. Bekomme ich jetzt noch mehr Arbeit? Das alles und noch viel mehr könnte dem Mitarbeiter durch den Kopf gehen. Gerade, wenn der Marschbefehl unerwartet kommt. Je nach Charakter der Grundbeziehung ist der Stresslevel größer oder geringer. Die Leistung der Führungskraft sollte jetzt darin bestehen unter Aufrechterhaltung der eigenen Werte, der angestrebten Ziele und Standards sich dem Verhaltensstil des Mitarbeiters anzupassen und so den Stresslevel zu senken. Bleibt das Stressgefühl hoch, verharrt der Mitarbeiter unter Umständen in einer Abwehrzone, hört nicht zu, fühlt sich unwohl und kann das Gespräch als Belastung empfinden. In der Komfortzone wird er das Gespräch und die Inhalte eher als angenehm empfinden und sich mit den Botschaften und Ideen der Inhalte positiv auseinandersetzen. Deshalb gilt es immer, vorher zu prüfen, wer zum Gespräch kommt: ist die Person eher laut oder leise, schnell oder langsam, offen ist oder schüchtern oder an der Sache oder am Miteinander interessiert. Darauf ausgerichtet werden die Anliegen kurz, knapp und präzise, ausführlicher oder in ruhiger und möglichst angenehmer Atmosphäre vermittelt.

Gerade wenn der Mitarbeiter keine Zeit hatte sich auf ein Gespräch vorzubereiten, weil er spontan zum Gespräch gerufen wurde oder überhaupt längere Gespräche zwischen Führungskraft und Mitarbeiter nicht gewohnt ist, kann es hilfreich sein, vor Beginn des Gesprächs Ängsten und Sorgen den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem man betont, dass man auf einen offenen und lockeren Austausch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter wert legt und es ganz normal ist, dass Themen zusammen besprochen werden. Auch dass geäußerte Kritik keine Bedrohung oder Abwertung darstellt, sondern man gemeinsam an besserer Zusammenarbeit und Verbesserung von Prozessen geht, ist zu Beginn förderlicher als ein schnelles »Kommst du mal, wir müssen reden« und anschließend mit der Tür ins Haus zu fallen.

Auch die Sitzordnung kann dafür sorgen, Gesprächskomfortzonen und damit ein zugewandtes Gegenüber zu schaffen. Je nachdem, um welche Art von Gespräch es sich handelt, kann allein die Anordnung der Stühle deutlich machen, wie ernst die Situation ist. Ein runder Tisch sorgt in der Regel für mehr Wohlgefühl als ein eckiger. Wer zu zweit sitzt, schafft mit einer Übereck-Anordnung mehr Nähe als mit dem sachlichen, aber distanzierterem Visavis. Je entspannter, angepasster und psychologisch abgestimmter die Atmosphäre, desto größer die Aussicht auf Erfolg.

Bei allen Gesprächen spielt aber immer das individuelle Verhaltensprofil eine entscheidende Rolle: Wer es gern klar strukturiert mag, braucht keine übermäßige Kuschelatmosphäre. Manche Menschen dagegen benötigen eine Aufwärmphase und lieben es, Gespräche mit gern auch privatem Small Talk zu beginnen. Wieder andere brauchen Zahlen, Daten und Fakten bis in kleinste Details, um sich sicher zu fühlen. Diese Bedürfnisse zu bedienen, sich darauf einzustellen, vorzubereiten und im Gespräch darauf einzuschwingen, bedeutet es dem Verhaltensstil des Gegenübers gerecht zu werden.
Die Führungskraft sollte in der Lage sein, ihre Mitarbeiter dahingehend einzuschätzen.

Abb. 7: Erfolgreiche Gespräche führen

  Bei geringer Anpassungsleistung der Führungskraft und einem gewissen Stressempfinden beim Mitarbeiter befindet sich dieser eher in der Diskomfort-Zone. Er ist verunsicherheit, macht sich Sorgen, weiß nicht, was ihn erwartet. Spannungen brodeln vielleicht unter der Oberfläche, an eine konstruktive Lösung wird eher nicht gedacht.

  Bei eigener geringer Anpassungsleistung und hohem Stresslevel beim Gegenüber befindet sich der Gesprächspartner in der so genannten Problem-Zone. Etwaige Differenzen und Konflikte treten offen zutage. Er reagiert abwehrend und abweisend. Es kann laut und emotional werden. Für rationale Argumente ist kaum noch Platz oder durchkommen. Eine konstruktive Lösung gerät vollständig aus dem Fokus.

  Bei mäßiger Anpassungsleistung und Absenkung des Stresses, den das Gegenüber empfindet, erreicht das Gegenüber die Neutrale Zone. Hier ist das Verhalten eher abwartend.

  Erst wenn die Anpassungsleistung durch die Führungskraft maximiert wird und Stress und Ängste des Gegenübers in hohem Maße aufgefangen werden können, fühlt sich der Gesprächspartner wohl. Erst dann befindet er sich in der Komfortzone das Gespräch ist angenehm und führt zu dem gewünschten Ergebnis.

Allen Bemühungen zum Trotz kann es zu Situationen und Konflikte kommen, für die es einfach keine Lösung gibt. Führungskräfte müssen lernen zu erkennen, wann Schluss ist. Ist das Ende erreicht und keine Einigung in Sicht, helfen zunächst weitere Gespräche, später das Hinzuziehen eines Dritten, z. B. der nächsthöhere Vorgesetzte. Wenn nichts mehr geht, kann eine Mediation versucht werden oder im äußersten Falle eine Trennung oder eventuell sogar eine gerichtliche Lösung.

Senken Sie den Stress-Level Ihres Gesprächspartners, indem Sie ihn dort abholen, wo er steht. Halten Sie dennoch Ihre Ziele, Standards und Werte stets aufrecht. Sie können beispielsweise einem Mitarbeiter zugestehen, dass er sich einen neuen Pflegestandard in Etappen erarbeitet, machen sie aber immer klar, was der Anspruch ihrerseits an seine Arbeit ist, den er langfristig erreichen soll. Auch hier gilt es wieder Führungsprinzipien und Reifegrade zu berücksichtigen.

3.2       Du oder Sie das Dilemma mit der richtigen Ansprache


»Lieber ein warmes Sie als ein kaltes Du«
(Werner Fleischer)

In gut eingespielten Teams sorgen das unkomplizierteDu und die direkte Anrede mit dem Vornamen für eine lockere Atmosphäre und ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Mit dem Duzen gibt es in der Regel keine Probleme, solange hierarchische Strukturen keine Rolle spielen und die Altersstruktur homogen ist. Auch für Kollegen, die neu in solche Teams kommen, ist es meist selbstverständlich, sich schnell an das allgemeineDu anzupassen.

Aber wie sollte es eine Pflegeleitung mit dem »Du« halten? Vor allem, wenn eine Beförderung aus den eigenen Reihen erfolgte und aus den ehemaligen Kollegen so Mitarbeiter werden, die es zu führen gilt? Welche Anrede wählt eine neu dazugekommene Pflegeleitung? Sollte gleich dasDu angeboten werden oder doch lieber das distanziertereSie die Anrede bleiben? Während sich diese Fragen im angloamerikanischen Sprachraum erst gar nicht stellen, da dort das hierarchieübergreifendeDu völlig selbstverständlich ist, ohne das Ziel oder die vorhandenen Strukturen aus den Augen zu verlieren, gibt es in der deutschen Sprache und Kultur hingegen einige Klippen. Beispielsweise denkt ein Mitarbeiter aufgrund desDu vielleicht, Anweisungen nicht folgen zu müssen. Führungskräfte hingegen könnten glauben, Mitarbeiter, die sie duzen, zusätzlich belasten zu dürfen. Generell gilt: Ein einmal angebotenesDu kann nicht wieder aufgehoben werden. Erst recht nicht von einem Leiter, der aus den eigenen Reihen befördert wurde (Kaminaufstieg, siehe Band 1) und nun merkt, dass ihm das Duzen seiner bisherigen Kollegen die Wahrnehmung und Ausübung seiner neuen...