: Michael Belanger
: 254 Tage mit Jane Doe Ein feinfühliger, berührender Roman über die erste Liebe, Depressionen und den ersten Verlust - für alle Fans von John Green!
: Carlsen Verlag GmbH
: 9783646900309
: 1
: CHF 8.70
:
: Jugendbücher ab 12 Jahre
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein ergreifender Coming-of-Age-Roman über die erste Liebe und den ersten Verlust - herzerwärmend, herzzerreißend und mit einer ordentlichen Portion Humor.  Hobby-Historiker Ray weiß alles über sein Heimatstädtchen Burgerville und kann selbst die legendäre Erscheinung grüner Kühe bis ins Detail erklären. Doch dann kommt ein neues Mädchen in die Klasse und macht die Gegenwart für ihn schlagartig spannender als die Vergangenheit. Mit ihren bunten Fingernägeln und ihren fortgeschrittenen Sarkasmus-Kenntnissen ist Jane mit Abstand das coolste Mädchen, dem Ray jemals begegnet ist. Er beschließt, jedes Kapitel ihrer Geschichte zu ergründen. Je näher sich die beiden kommen, desto besser glaubt er ihre schmerzhaften Geheimnisse zu kennen. Als das Undenkbare geschieht, muss er sich jedoch eingestehen, dass es auf die Frage nach dem Warum nicht immer eine Antwort gibt. Und seine zerbrochene Welt Stück für Stück wieder zusammensetzen.  »Dieses beeindruckende Debüt voller schrägem Humor ist gleichermaßen lebensbejahend wie herzzerreißend. Fans von John Green werden es verschlingen!« Kirkus Trigger-Warnung: Selbstmord

Michael Belanger unterrichtet Geschichte und ist Fachstudienberater für das Greenwitch, ein mehr als hundert Jahre altes Literaturmagazin, in dem Texte junger Talente veröffentlicht werden - einst auch von Truman Capote. Michael Belanger lebt in Connecticut. 254 Tage mit Jane Doe ist sein Debütroman.

252 TAGE DAVOR


DAS GRÜNKUH-GELÄNDE


Mitten in dem Chaos, das wieder ausbrach, nachdem Coots an jenem schicksalhaften Tag zum zweiten Mal im Vertretungsunterricht eingeschlafen war – noch mehr herumfliegende Spuckekügelchen und Sandwich-Beläge und Leute, die hinter Pulten Deckung suchten –, verabredeten Jane und ich unser erstes ›Date‹. Um sechs wollten wir uns vor der Statue von Earl Beddington treffen, dem Mann im Zentrum der Verschwörung. Ich würde ihr die Geschichte von Beddington und seinen grünen Kühen erzählen und ihr dann den Schauplatz all dieser Ereignisse zeigen: das verwilderte Grundstück, das heute nur noch Grünkuh-Gelände heißt.

Ende der 1940er-Jahre, als das übrige Amerika noch vollauf mit der Roswell-Hysterie beschäftigt war, erlebte Burgerville seine ganz eigene unheimliche Begegnung der dritten Art. Während der Weltwirtschaftskrise war einer der ansässigen Farmer pleitegegangen und seine Farm hatte seitdem leer gestanden. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges waren Haus, Wiesen und Felder schon völlig überwuchert, und alles Vieh, das damals nicht verkauft werden konnte, streunte herrenlos herum. Man munkelte, die verwilderten Kühe hätten eine grünliche Färbung angenommen, um sich zu tarnen. Und nicht nur das: Angeblich waren diese Kühe auch noch zu Fleischfressern mutiert und ernährten sich jetzt von ihren genetischen Verwandten. Seltsame Geräusche wollte man gehört haben, eine Mischung aus dem Muhen einer Kuh und dem Heulen eines Wolfs.

Schon bald versammelte sich ein wütender Mob von Farmleuten, mit allem, was so dazugehört: Heugabeln, Strohhüte und Sprechgesänge über das Töten von Kuh-Mutanten. Angeführt von Earl Beddington, dem angesehensten Farmer der Stadt, marschierte diese Horde bei Einbruch der Dämmerung auf den verwahrlosten Feldern ein. Das Gelände war jedoch so riesig und zugewuchert, dass die Leute sich zwischen all dem Grünzeug schließlich rettungslos verirrten. Gegen Mitternacht schlugen sie auf einer kleinen Lichtung irgendwo in diesem Dschungel ihr Nachtlager auf. Beddington hielt Wache, während alle anderen schliefen, die Heugabel fest umklammert.

Kurz vorm Morgengrauen hörte Beddington auf einmal ein Rascheln im Gras. Er wollte sich schon unbemerkt zurückziehen und Alarm schlagen, als er sich plötzlich Auge in Auge mit einer – ihr ahnt es sicher – grünen Kuh wiederfand.

Das war aber nicht einfach eine ganz normale Kuh mit einem Grünstich. Beddington zufolge hatte sie auch noch lange Reißzähne, spitze Ohren und knallrote Augen. Sie hatte an ihm rumgeschnüffelt wie ein Hund, und Beddington hatte sich, nach eigener Aussage, wie ein Stück Fleisch gefühlt.

Daraufhin war er ganz langsam nach hinten zurückgewichen, aber das Untier leckte sich nur die Lefzen und stürmte dann bösartig muhend auf ihn los. Beddington stieß einen gellenden Schrei aus und sprintete mit einem Affenzahn zum Lager zurück.

»Kühe!«, brüllte er. »Kühe!«

Der Rest der Truppe schreckte hoch, griff nach den Heugabeln und nahm ebenfalls die Beine in die Hand. Bis zum Sonnenaufgang hatten sich schon drei der Männer gegenseitig aufgespießt und einem vierten ein Auge ausgestochen, und Beddington war danach nicht mehr der Alte. Kurze Zeit später wurden die verletzten und völlig verstörten Farmer, deren Schreie bis in die Stadt zu hören gewesen waren, dann von einem Suchtrupp eingesammelt.

Für den Rest seines Lebens hegte Beddington einen glühenden Hass auf Kühe aller Art. Er wurde ein erklärter Gegner des Vegetarismus und – zur großen Verlegenheit seiner Familie – zum glühenden Verfechter einer Theorie, die