1. KAPITEL
Roxy
Ich liebte Essen. Schokolade. Pasta. Cottage Pie. Eintopf. Pizza. Scones. Eiscreme. Essen machte einfach alles besser.
Genüsslich schob ich mir den letzten Bissen Kartoffeln in den Mund und legte die Gabel mit einem zufriedenen, nein, mit einem vorfreudigen Seufzen auf den Teller. Denn als Dessert stand ein Triple Chocolate Cake mit flüssigem Kern und hausgemachter Soße aus echten Vanilleschoten auf dem Programm. Das war besser als jeder Orgasmus. Das ganze Menü war schon köstlich gewesen, aber das hier? Dieses Dessert war zum Sterben gut, und ich konnte es gar nicht erwarten, dass es endlich auf dem Tisch landete. Dafür verschwendete ich liebend gerne meine begrenzte Lebenszeit. Nicht für den Kerl, sondern für das Essen.
Na gut, ein bisschen auch für den Kerl, der mir gegenübersaß.
»Du genießt das richtig, was?« Seamus grinste, wodurch das kleine Grübchen in seiner glatt rasierten Wange sichtbar wurde.
Im Alltag hatte er seinen irischen Akzent größtenteils abgelegt – aber zusammen mit mir? Da erkannte ich meine Heimat in fast jeder Silbe. Bonuspunkte gab es dafür, dass er eine angenehm tiefe, ruhige Stimme hatte, die perfekt zu seinem attraktiven Äußeren passte: gestyltes blondes Haar, breite Schultern und trainierte Arme, die von jahrelangem Rugbyspielen zeugten, dazu graue Augen, in denen es flirtfreudig funkelte.
Wir hatten uns vor einer Woche in der Nähe des British Museum kennengelernt. Ich fuhr manchmal zum Nachdenken dorthin, während er gerade auf dem Weg zur Senate House Library gewesen war, um irgendetwas für sein Studium zu recherchieren. An dem Tag war ich total übermüdet gewesen und hatte mir nichts sehnlicher gewünscht als einen Kaffee. Stattdessen war ich in Seamus reingelaufen und hatte seine Nummer sowie ein Date bekommen. Kein schlechter Deal, wenn ihr mich fragt.
Ich trank einen Schluck von meinem Wasser. »Ich versuche einfach, jeden Moment zu genießen.«
In seinen Augen blitzte es auf, und sein Blick wanderte für einen Moment genau so an mir auf und ab, wie er es getan hatte, als ich hereingekommen war. Er hatte bei den Halbstiefeln mit den mörderisch hohen Absätzen angefangen, war über die hautenge schwarze Hose und das geblümte Oberteil mit den weiten Ärmeln, den royalblauen, ungefähr drei Zentimeter großen Anhänger an der Goldkette um meinem Hals und bis hin zu meinem Mund geglitten. Darüber, dass der dunkelrote Lippenstift nach diesem Abend und dem köstlichen Menü nicht mehr richtig halten oder verschmiert sein könnte, machte ich mir keine Gedanken. Ich hatte ihn schon unter härtesten Bedingungen getestet: bei Nacht und Nebel – und Nieselregen! – in den Londoner Straßen, als ich mit meinem Kampfpartner Finn auf der Jagd gewesen war. Wenn dieser Lippenstift eine Begegnung mit Untoten, Geistern und den Kreaturen der Unterwelt überstand, dann auch dieses Abendessen.
»Das ist eine gute Einstellung«, sagte Seamus schließlich und sah mir wieder in die Augen. »Aus allem das Beste zu machen.«
Bildete ich mir das ein oder klang seine Stimme etwas belegt? Ein bisschen rau? Womöglich sogar erregt?
Ich lächelte langsam. Allem Anschein nach würde dieses Date genauso interessant weitergehen, wie es angefangen hatte. Alle Anzeichen deuteten darauf hin, dass Seamus mir nicht gleich vor dem Restaurant Gute Nacht sagen und in der nebligen Londoner Nacht verschwinden würde. Stattdessen würden wir uns ein Taxi teilen, auf der Fahrt vielleicht ein bisschen herumknutschen, anschließend noch tanzen oder in einen