Little Germany Deutsche Auswanderer in Nordamerika
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Alexander Emmerich
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Little Germany Deutsche Auswanderer in Nordamerika
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Campus Verlag
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9783593442112
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1
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CHF 19.20
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Neuzeit bis 1918
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German
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268
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Wasserzeichen
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PDF
Mitte des 19. Jahrhunderts setzten regelrechte Auswanderungswellen aus Deutschland ein, deren Ziel Nordamerika war. Ganze Dörfer, Großfamilien und Vereine verließen aus Armut, wegen Hungersnöten, aufgrund politischer oder religiöser Verfolgung ihre Heimat. Viele der Neuankömmlinge identifizierten sich in den ersten Jahrzehnten noch stark mit der deutschen Kultur, behielten die deutsche Sprache bei und siedelten sich in eigenen Stadtteilen an, etwa »Little Germany« in New York; andere wiederum fühlten sich bald der Kultur der Vereinigten Staaten zugehörig. Dieses Buch zeichnet die faszinierende Geschichte der 5,5 Millionen deutschen Migranten und die Spuren des deutsch-amerikanischen Lebens in den USA nach, die der Prozess der Akkulturation bis heute hinterlassen hat.
Alexander Emmerich promovierte in Neuerer Geschichte an den Universitäten Heidelberg und Yale. Er ist Autor zahlreicher Bücher zur deutschen und amerikanischen Geschichte.
Einleitung Eberhard Anheuser und Adolphus Busch, zwei nach Nordamerika ausgewanderte Deutsche, gründeten die größte US-amerikanische Bierbrauerei. Das Dollarzeichen entwarf ein Einwanderer aus der Pfalz, Thomas Nast. Der erste Millionär der Moderne, der in den USA reich gewordene John Jacob Astor, stammte aus Walldorf bei Heidelberg. Der Erfinder der Jeans war Franke, der Erbauer der New Yorker Brooklyn Bridge wurde in Thüringen geboren. Auf den Schwaben Carl Laemmle geht »Universal Pictures« zurück, das erste große Filmstudio in Hollywood, wo man in den Gründerjahren hauptsächlich Deutsch sprach. Ub Iwerks, ein Nachfahre ostfriesischer Einwanderer zeichnete Mickey Mouse. Und auch die Weltunternehmen Boeing, Heinz und Steinway haben deutsche Wurzeln. Diese berühmten Deutsch-Amerikaner schufen auf der anderen Seite des Atlantiks etwas, was ihnen in der deutschen Heimat wahrscheinlich verwehrt geblieben wäre. In Deutschland litten sie unter politischer Unterdrückung, einem geografischen Flickenteppich, der den Handel erschwerte, und unter der Politik der Fürsten selbst. Aber im »Land der unbegrenzten Möglichkeiten«, wie der Deutsche Ludwig M. Goldberger 1903 die Vereinigten Staaten beschrieb, konnten sie sich entfalten und eine für sie zuvor undenkbare Karriere machen. Ihr erfolgreiches Leben strahlte auf die »daheim Gebliebenen« aus. Es motivierte unzählige weitere Auswanderungswillige, den Schritt zu wagen, nach Nordamerika auszuwandern. Sie wollten es ihren Vorbildern gleichtun und ebenso selbstbestimmt, in politischer, wirtschaftlicher und politischer Freiheit leben. Doch die Lebensleistungen vieler Deutsch-Amerikaner sind heute nahezu vergessen. Niemand bringt sie mehr mit den eingewanderten Deutschen zusammen. In der öffentlichen Wahrnehmung gelten sie zum Teil schlichtweg als »typisch amerikanisch«. Zusammenleben in der Fremde Für die Zusammensetzung der Gesellschaft der USA gibt es verschiedene Erklärungsmodelle: Amerikanisierung, Assimilation, Integration, »Melting Pot« und »Salad Bowl«. Die Begriffe beschreiben alle - mit unterschiedlichem Gewicht - eine zweite Sozialisation der ehemaligen Einwanderer, die sie zu Amerikanern machte. Die Idee des Zusammenschmelzens verschiedener, vorwiegend europäischer Einwanderer geht ursprünglich auf den französischen Adligen J. Hector St. John de Crèvecoeur zurück, der 1782 in seinem Buch »Letters from an American Farmer« die USA als ein Land beschrieb, in dem zum Wohle der Menschen alle Nationen miteinander »verschmelzen« würden. Die Amerikaner sollten gleichberechtigte Bürger einer neuen Nation sein und die positiven Traditionen ihrer Heimat in die neue, amerikanische Kultur einfließen lassen. Der Begriff »Melting Pot« wurde im Oktober 1908 durch die Welturaufführung des gleichnamigen Stückes von Israel Zangwill weltberühmt. Der jüdische Autor sah in Amerika eine friedliche harmonische Zukunft für alle Einwanderer. Er entzog sich allerdings der schwierigen Frage, wie der Amerikanisierungsprozess der Einwanderer in ihrem Alltag vonstattengehen solle und was Staat und Gesellschaft dafür tun könnten. Stattdessen stellte er Gott als allein handelnde Kraft des Verschmelzens dar. Die Idee des »Zusammenschmelzens« erlebte seit 1782 im Laufe des 19. Jahrhunderts eine Bedeutungsveränderung. Das Zusammenwachsen der einzelnen Kulturen wich dem Wunschdenken der Amerikaner, die neuen Einwanderergruppen würden in einen amerikanischen Schmelztiegel einfließen, der auf einer amerikanischen Leitkultur der »White Anglo-Saxon Protestants« beruhte. Man nahm also nicht mehr an, dass in einem Schmelztiegel neue Menschen einer neuen Nation geboren würden, sondern dass es dafür eine Vorgabe benötigte, eine Leitkultur - oder zumindest eine »Empfängerkultur« (»host culture«), an der man sich orientieren sollte. Die tonangebenden Schichten des 19. Jahrhunderts waren Verfechter der in der Amerikanischen Revolution geschaffenen Ideologie der freien politischen Institutionen. Sie waren zugleich Gegner des europäischen Katholizismus, der europäischen Monarchien und vieler europäischer Gepflogenheiten. Europäische Erblasten, die Bündelung von Macht in einer Dynastie und die Unfreiheit der Bevölkerung, waren ihnen ein Dorn im Auge. Sie forderten von den Einwanderern, sich zügig an die amerikanischen Werte und die amerikanische Kultur, Religionsauslegung und Politik anzupassen. Während man aus amerikanischer Sicht die Verschmelzung der Kulturen beziehungsweise die nachbarschaftliche Existenz verschiedener Einwanderungskulturen beobachtete und analysierte, fiel der Blick seltener auf die einzelnen Einwandererkulturen, zum Beispiel auf die Einwanderer aus Deutschland. Neben den Iren und den Engländern sind die Deutschen diejenige Einwandererkultur, die die USA bis heute am stärksten geprägt haben. Doch wenig ist darüber bekannt, wie aus Bayern, Schwaben und Friesen deutsche Einwanderer, aus diesen Deutsch-Amerikaner und schließlich Amerikaner wurden. Wie verlief die Integration der Deutschen? Verschmolzen Sie wirklich im »Melting Pot« zu Amerikanern? Beim US-amerikanischen Zensus, der dortigen Volkszählung, aus dem Jahr 2010 gaben über 50 Millionen Amerikaner an, die Nachfahren der nahezu sechs Millionen deutscher Einwanderer zu sein, die von 1820 bis zum Ersten Weltkrieg in die USA emigrierten. Das ist bei einer Gesamtbevölkerung von 300 Millionen ein beachtlicher Anteil. Diesem Zensus zufolge sind die Deutsch-Amerikaner noch vor den Irish-Americans, den Hispanics und den African-Americans die größte ethnische Gruppe in den USA. In 24 amerikanischen Bundesstaaten - in Alaska, Colorado, Florida, Idaho, Illinois, Indiana, Iowa, Kansas, Michigan, Minnesota, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, North Dakota, Ohio, Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, South Dakota, Washington, Wisconsin und Wyoming - gab die Mehrheit der Bevölkerung an, die Nachkommen deutscher Vorfahren zu sein. Doch während man heute »Chinatown«, »Little Italy« und »Little Japan« kennt, in den USA den Puerto Rico Day und den St. Patrick's Day feiert und sich überall in den USA Stadtteile und Straßenzüge finden, in denen sich eine bestimmte Einwanderergruppe angesiedelt hat, sind die Spuren der eingewanderten Deutschen nur schwer zu finden. Warum ist das so? War das deutsch-amerikanische Leben so unbedeutend, dass davon heute nichts mehr zu finden ist, oder passten sich die deutschen Einwanderer schnell der amerikanischen Kultur an? Und gab es vielleicht tatsächlich auch ein »Little Germany«? Die Antwort lautet: Ja! Es gab ein »Little Germany«. Es gab sogar viele »Little Germanies« in vielen Großstädten der USA. Das »Little Germany« im N