: Anselm Grün
: Kämpfen und lieben Wie Männer zu sich selbst finden
: Vier-Türme-Verlag
: 9783736502499
: 1
: CHF 7.20
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: Christliche Religionen
: German
: 189
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In diesem Buch möchte ich dem Leser achtzehn Männergestalten aus der Bibel vor Augen führen, die einem Mann Kraft zu geben vermögen. Wenn ich mir selbst diese achtzehn Gestalten anschaue, dann spüre ich, wie viel Energie in diesen Männern steckt. Jeder geht seinen persönlichen Weg. Keiner ist zu Beginn seines Weges perfekt. Jeder muß über Versuch und Irrtum lernen. Er begegnet auch seinen Schattenseiten. Trotzdem sind diese Männer für mich Vorbilder. Viele Psychologen beklagen, daß es heute kaum männliche Vorbilder gibt. Die Politiker sind es kaum, die Filmschauspieler und Sportler auch nicht. Ich hoffe, daß der Leser in den achtzehn Männern Vorbilder für sich entdeckt. Er wird sich nicht in allen Männern wiederfinden. Ich werde die Männer der Bibel immer nur von einem Blickwinkel aus betrachten und sie einem archetypischen Bild zuordnen, das mir bei jedem vorherrschend zu sein scheint. Die Reihenfolge der Männergestalten orientiert sich an der Chronologie der Bibel. Der Leser sollte jedoch frei auswählen, wer ihn gerade am meisten interessiert. Der eine Leser braucht vielleicht als erstes den 'wilden Mann' Johannes den Täufer oder den Krieger Simson. Ein anderer möchte lieber mit dem Liebhaber beginnen. Es hängt von der eigenen Situation ab, welcher Mann mich gerade mit seinem Archetyp am meisten anspricht. Archetypische Bilder haben nach C. G. Jung die Fähigkeit, uns mit dem eigenen Potential, das in uns steckt, in Berührung zu bringen. Sie setzen uns in Bewegung, damit wir uns mehr und mehr zentrieren und die eigene Mitte finden. Jedes archetypische Bild hat ein Entwicklungspotential in sich. Jeder der achtzehn Archetypen gilt auch für Frauen. Auch die Frau ist Führerin. Sie braucht die Kriegerin in sich. Sie ist Königin und wilde Frau. Wenn ich jetzt nur über Männer schreibe, soll das nicht heißen, daß ich Frauen abspreche, was ich von den Männern aussage. Die Frauen verwirklichen die archetypischen Bilder auf ihre Weise. Zum Teil sind es die gleichen Archetypen, die auf Männer und Frauen zutreffen. Frauen kennen aber auch ihre eigenen archetypischen Bilder. Ich hoffe, zusammen mit meiner Schwester auch darüber ein Buch zu schreiben, das dann nur für Frauen gedacht ist. Kein Mann ist nur auf einen Archetyp festzulegen. Jeder lebt in seinem Leben verschiedene Aspekte. Und bei jedem formt sich der Archetyp auch in anderer Weise aus. Daher ist es mir wichtig, jeweils die konkrete biblische Gestalt in den Blick zu bekommen mit seiner Lebensgeschichte und mit seiner Entwicklungsgeschichte. Es ist sehr hilfreich, daß die Bibel uns keine perfekten Männer beschreibt. Bei jedem der großen Männer deckt sie auch schonungslos die Schwächen und Schattenseiten auf. Das ist tröstlich für den Leser. Denn die Männer in der Bibel sind nicht den Auseinandersetzungen und Gefährdungen enthoben. Sie geraten immer wieder in die Falle ihrer eigenen Veranlagung oder in die Versuchung, sich von außen bestimmen zu lassen und sich anzupassen. Gerade in dem Auf und Ab von Stärke und Schwäche, von Licht und Schatten, von Vertrauen und Angst, von Liebe und Haß hat sich der Mann zu bewähren. Der Mann sucht die Auseinandersetzung und den Kampf. Daß er dabei auch verlieren kann, nimmt er in Kauf. Er verabscheut allzu sichere Wege. Die Bibel schildert uns gefahrvolle und abenteuerliche Wege des Mannwerdens. Und ich hoffe, daß diese Wege die Leser ansprechen und in ihnen ihre männliche Energie wachrufen.

Anselm Grün, geboren 1945, ist Mönch der Abtei Münsterschwarzach und der bekannteste spirituelle Autor in Deutschland. Seine Bücher sind Bestseller.

Einleitung

Seit etwa 20 Jahren ist in Deutschland die Frage nach der Identität des Mannes ins Bewusstsein vieler Männer getreten. Die feministische Bewegung hat das Selbstbewusstsein vieler Frauen gestärkt. Das hat die Männer verunsichert. Auf einmal wussten sie nicht mehr, wer sie in Wirklichkeit sind. Sind sie nur die Patriarchen, die alles beim Alten lassen möchten? Oder sind sie die Machos, wie sie von vielen Frauen karikiert werden? Oder geben sie sich als »Softies«, die weder von Männern noch von Frauen ernst genommen werden? In diesem Buch möchte ich anhand biblischer Männergestalten einen Weg aufzeigen, wie Männer ihre eigene Identität finden können. Dabei geht es mir um die beiden Pole: Kämpfen und Lieben. Wer nur kämpft, ist in Gefahr, hart und unempfindlich zu werden. Wer nur liebt, neigt dazu, nur seine zärtlichen Seiten zuzulassen. Zum Mann gehören beide Fähigkeiten. Als Kämpfer ist er fähig zu lieben. Seine Liebe braucht die Qualität des Eroberers und des Beschützenden. Und sein Kampf bedarf der Liebe, damit er nicht blindwütig wird.

In den letzten Jahren sind viele Männergruppen entstanden, in denen sich Männer über ihr Mannsein austauschen. Es gibt ­diese Männergruppen in der evangelischen und katholischen Kirche, aber auch im Umfeld von Therapeuten, die Männer einladen, gemeinsam ihre männliche Energie zu entwickeln. Offensichtlich besteht ein großes Bedürfnis, dass Männer auch mal unter sich sind. Unter Männern wagen sie es, ihre eigene Unsicherheit, ihre Ängste und Schwächen zu zeigen. In solchen Männergruppen sind sie frei von dem typischen Imponiergehabe, das sie leicht an den Tag legen, sobald Frauen mit dabei sind. In meinen Kursen sind normalerweise mehr Frauen als Männer. Und ich arbeite gerne mit Frauen, weil sie ein tiefes Gespür ­haben für spirituelle und psychologische Fragen. Wenn ich mit reinen Männergruppen arbeite, spüre ich aber auch, dass dort eine ­eigene Qualität entstehen kann, eine männliche Qualität. Wenn Männer ihre alten Rollen ablegen und sich ehrlich aufeinander einlassen, dann wird auf einmal der Saal voll von männlicher Kraft.

Seit 12 Jahren begleite ich Priester und Ordensleute, Männer und Frauen, im Münsterschwarzacher Recollectio-Haus. In den letzten Jahren haben ein Therapeut und eine Therapeutin öfter einmal ein Mann-Frau-Wochenende veranstaltet. Zunächst einmal sind bei diesen Kursen die Männer und Frauen jeweils ­unter sich und gestalten einen Raum mit Symbolen. Dann laden die Männer die Frauen zu sich ein und umgekehrt. Es ist immer ein spannendes Wochenende, an dem klarer wird, wie Männer sich von Frauen unterscheiden. Es geht nicht um Wertung, sondern um die Erfahrung, dass ich ganz Mann und ganz Frau sein darf.

Beim letztem Silvester-Jugendkurs in Münsterschwarzach (über die Jahreswende 2002/2003) hat Pater Mauritius eine Gruppe nur für Männer angeboten. Das war eine Premiere bei den Jugendkursen, bei denen die Frauen sonst überwiegen. Aber es war eine wichtige Erfahrung für die jungen Männer zwischen 16 und 30 Jahren. Offensichtlich war es ihnen ein Bedürfnis, einmal unter sich zu sein, sich über die eigenen Stärken zu unterhalten, die sie meistens übersehen, und vielleicht auch einmal voreinander schwach sein zu dürfen. Es gab sehr ehrliche Gespräche über die eigene Sexualität, über die Ängste, vor den Frauen nicht gut genug zu sein, aber auch über die Angst, zur eigenen Männlichkeit zu stehen. Die Erfahrung dieser Männergruppe zeigte, wie wenig sich junge Männer heute zutrauen. Sie sollen gegenüber Frauen immer lieb und nett sein und vergessen so, dass sie Männer sind. Sie trauen sich nicht, zuzupacken, für sich zu kämpfen, Führung zu übernehmen. Sie spüren, dass ihnen etwas fehlt. Aber sie wissen oft nicht, wie sie zu einem authentischen Mannsein finden können, ohne in die Machorolle zu fallen oder zum Softie zu werden.

Meine Bücher werden mehr von Frauen gelesen als von Männern. In diesem Buch möchte ich bewusst als Mann zu Männern sprechen. Ich lebe seit 39 Jahren in einer reinen Männergruppe, in einer Klostergemeinschaft von etwa 100 Männern. So eine Männergesellschaft hat ihre eigene Qualität, aber auch ihre Gefahren und Einseitigkeiten. Wenn Männer sich miteinander auf die Suche machen, dann entsteht eine starke Kraft. Sie öffnen sich gegenseitig die Augen für die wirklichen Probleme in unserer Welt. Und sie sind bereit, die Ärmel hochzukrempeln und die Aufgaben anzupacken, die für sie anstehen. Die Gefahr einer reinen Männergesellschaft besteht jedoch darin, dass das Gespür füreinander verlorengeht, dass jeder nur für sich alleine lebt und arbeitet. Oft treten vaterlose Männer ins Kloster ein. Sie suchen im Kloster entweder die große Mutter, die sie von ihrer eigenen Mutterbindung befreit. Oder aber sie sehnen sich nach echten Vätern, an denen sie als Mann wachsen können. Damit spiegelt die Klostergemeinschaft die Problematik unserer Gesellschaft wider. Seit Alexander Mitscherlich ist das Wort von der vaterlosen Gesellschaft verbreitet. Das Problem ist, dass heute viele vaterlose Männer nach Ersatzvätern suchen. Manche sind anfällig, sich starken Männern unterzuordnen und sich von ihrem Machtgehabe blenden zu lassen. Unsere Gesellschaft braucht heute Väter, an denen sich die jungen Männer orientieren können, die ihnen den Rücken stärken und sie herausfordern, ihre eigene männliche Energie zu entwickeln.

In meiner Klostergemeinschaft habe ich echte Väter erlebt. Wenn die Männergesellschaft eines Klosters sich zu einseitig von der Mutterenergie her bestimmt, dann kleben die Mönche aneinander. Es geht keine Kraft mehr von ihnen aus. Gott sei Dank erlebe ich in unserer Gemeinschaft die männliche Energie der Väter. Wenn Männer gemeinsam darum ringen, welche Antwort sie auf die Fragen unserer Zeit geben möchten, dann entsteht ein hohes Potential an Kreativität. Sie bekommen Lust, etwas anzupacken und etwas für diese Gesellschaft zu tun. Sie entwickeln Visionen und haben den Mut, sie in die Tat umzusetzen. Ich sp