: Elizabeth Harrower
: Die Träume der anderen Roman
: Aufbau Verlag
: 9783841218322
: 1
: CHF 15.40
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 352
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Ich kann diese brillante Schriftstellerin nicht nachdrücklich genug empfehlen.« James Wood, The New Yorker. »Elizabeth Harrowers bester Roman: die tragische Geschichte der Schwestern Laura und Clare, die unter den Einfluss des herrschsüchtigen Felix Shaw geraten. Ein Meisterwerk.« James Wood, The New Yorker Sydney, 1940er Jahre: Anstelle der überforderten Mutter ist es Laura, die für sich und die sieben Jahre jüngere Schwester Clare das Geld nach Hause bringen muss. Als der Chef ihr das Angebot macht, für Clares Schulgebühren aufzukommen, gibt sie seinem Werben nach. Laura wird seine Frau. Dem psychischen Terror, dem beide jungen Frauen fortan ausgesetzt sind, steht Clares langsam wachsender Widerstand gegenüber, ihre Vision von einem selbstbestimmten Leben. Ein herausragender Roman über die Kraft der Frauen, wie er aktueller nicht sein könnte - das Meisterwerk einer der wichtigsten Autorinnen Australiens, übersetzt von Alissa Walser. »Was für eine Wiederentdeckung!« The Paris Review

Elizabeth Harrower, geboren 1928 in Sydney, veröffentlichte in den fünfziger und sechziger Jahren vier Romane, für die sie viel Anerkennung erhielt. Als ihre Mutter starb, der sie sehr nahestand, beendete sie abrupt ihre Schriftstellerkarriere. Seit einigen Jahren wird ihr Werk in immer mehr Ländern als literarische Wiederentdeckung gefeiert. Auf Deutsch liegt bislang nur ihr erst 2014 aufgefundener letzter Roman»In gewissen Kreisen« vor.  

Teil Zwei


Felix entfernte Unkraut im Rasen. Seit sechs Wochen jätete er täglich Unkraut, er begann vor dem Frühstück und hörte nicht vor fünf Uhr nachmittags auf. Anfangs meinte Laura, diesem Durchhaltevermögen hafte etwas Krankhaftes an (auch wenn Durchhaltevermögen eigentlich eine Tugend war), aber inzwischen akzeptierte sie es.

»Ich gehe nur kurz einkaufen, Felix. Kann ich dir was mitbringen?« Sie lehnte sich vorn über das Verandageländer und rief zu ihm hinunter. Es folgte eine Pause. Sie wartete. Nach einer Weile hob er sein freudloses Gesicht, die Augen auf Höhe ihrer Schuhe, die er mit blinder Verachtung ansah. Dann beugte er seinen Rücken wieder wie ein Sklave.

Laura ging los.

So wie Jack Roberts verschwunden und angeblich wahnsinnig erfolgreich geworden war, so war auch Peter Trotter verschwunden und erfolgreich geworden. Ohne Interessen und ohne Einkommen war Felix zu mürrisch, um sich je weiter vom Haus zu entfernen als bis in den Garten. Auch wenn er diese Erfahrung schon öfter gemacht hatte, überraschte und grämte es ihn, dass er, nachdem die Firma verkauft war und Peter sie bekommen hatte, nun keine Firma mehr besaß und Peter nicht mehr wie früher regelmäßig treffen durfte. Er nahm sich vor, die Situation tapfer durchzustehen; mit den unangenehmen Konsequenzen hatte er allerdings nicht gerechnet.

Er hatte ein erstaunliches Gedächtnis für verschiedenste Sachverhalte. Er konnte sehr lange Zahlenreihen, bestehend aus Pfund, Shilling und Penny, so schnell addieren wie eine Rechenmaschine. Ob er Unkraut ausgrub oder Abweichungen in den Firmenkonten verfolgte oder Kartons packte – er war fast so ausdauernd wie eine Maschine. Seine Konzentrationsfähigkeit lag weit über dem, was ein Betriebspsychologe mit dem Wort »hervorragend« beschreiben würde. Wäre er zur Schule gegangen, wäre ihm eine Karriere in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen möglich gewesen, und er hätte seine bewundernswerte Aufmerksamkeit auf die Rätsel und Fragen gelenkt, die es zu lösen galt. Jetzt, da er nichts anderes zu tun hatte, als tagein, tagaus seine enormen Rasenflächen zu jäten, wurde ihm allerdings klar, dass ihn irgendjemand mittels eines geheimen Plans in diese Situation gebracht hatte. Hinterrücks. Während er schlief. Es gab nichts Unheimlicheres und Gefährlicheres als – Menschen. Rachlustig jätete er.

Laura kam bald vom Einkaufen zurück, an jedem Finger baumelte ein Einkaufsnetz, und begann die Hausarbeit, immer wieder aufseufzend, so wie sie es tat, wenn sie allein war. Als sie verstohlen durch die leichten Gardinen spähte, fiel ihr Blick auf die kauernde Gestalt ihres Ehemannes. Armer Felix!

Sein Elend war ansteckend. Nicht dass er etwas sagte! Tatsächlich schwieg er. Und er sah kaum jemanden an. Nie, nie lächelte er. Das erwartete auch niemand von ihm angesichts der Situation – er schlich nur langsam ins Haus, mit dieser düster vergrämten und verbitterten Miene, die bei ihr, wenn er an ihr vorüberlief, grässliche Angst auslöste und ein Gefühl der Schuld. Clare blickte ihm traurig nach.

»Wo ist derHerald

(Er sprach!