Die Chance meines Lebens
Es geschah aus heiterem Himmel. Oder eigentlich doch nicht. Wenn ich richtig darüber nachdenke, gab es von Anfang an Warnsignale. Ich hatte sie nur ignoriert. Als Dreijährige zum Beispiel wünschte ich mir ein Bobbycar. Was aber kaufte meine Mutter? Ein Schaukelpferd. Und während die anderen Kinder in schnittigen roten oder blauen Kleinwagen herumflitzten, musste ich sehen, wie ich dieses sperrige Teil irgendwie vorwärtskriegte. Die Schleifspuren auf dem Parkett in unserem Wohnzimmer sind bis heute zu besichtigen.
Später bekam ich dann ein Barbiepferd und eine ganze Anzahl seltsamer Gummimonster mit pinken und hellblauen Locken, die unter der Bezeichnung »Mein süßes Pony« zum Kämmen, Föhnen und Einlegen der »Mähne« einladen sollten. Leider zeigte ich keine Friseurambitionen, und als ich dem ersten die Haare einfach abschnitt, endete diese Episode. Nicht aber die unauffällige Manipulation Richtung Pferd. Als ich mich für Dinosaurier interessierte, erhielt ich ein Buch über frühe Säugetiere: »Guck mal, und das war das Urpferdchen! War das nicht süß?«
Wie gesagt, ich hätte gewarnt sein sollen. Aber im entscheidenden Augenblick gelang es meiner Mom dann doch, mich vollständig zu überraschen. Es war an einem Montagabend, und ich schaute harmlos ein bisschen fern, als sie hereinkam und beiläufig eine Zeitung auf den Tisch legte.
»Interessiert dich das?«, fragte sie und wies auf die Quizsendung im Fernsehen.
Ich zuckte die Achseln. Natürlich konnte ich mir Prickelnderes vorstellen. Zum Beispiel eine ausführliche Reportage über meine Lieblingsband: »Tierpension«. Nicht dass ich deren Entwicklung von der musikalischen Früherziehung bis zur Bambi-Verleihung nicht schon in jeder Einzelheit kannte. Aber ich konnte ihnen nicht nur stundenlang zuhören, sondern sie auch endlos ansehen. Vor allem Nico Chico, den Leadsänger … und Bombo, den Drummer … Aber ich schweife ab. Wenn ich jetzt anfange, von »Tierpension« zu schwärmen, bin ich morgen früh noch nicht beim Thema Pferd. Doch an diesem Montag hoffte ich auf Nico Chicos Auftritt in der Show – und tat mir deshalb auch die schwachsinnigen Quizteile an.
Jedenfalls protestierte ich nicht, als Mom jetzt entschlossen den Ton abdrehte. »Ich mache mir manchmal ein bisschen Sorgen um dich …«, verfiel sie plötzlich in einen ernsthaften Tonfall.
Das war mir bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht aufgefallen. Eigentlich bin ich kein Problemkind. Ich habe halbwegs gute Noten und spiele