: Hermann Freese
: Das Lachen der Kinder
: Books on Demand
: 9783752874396
: 1
: CHF 4.00
:
: Erzählende Literatur
: German
: 252
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Selda ist nach ihrer Scheidung mit ihren beiden Kindern gerade erst in ihrem neuen Leben angekommen, als die Schatten der Vergangenheit sie einholen. Für die kleine Familie beginnt noch einmal alles neu.

Hermann Freese ist geboren am 22. Mai 1952 und lebt in Ritterhude.

«Wenn ich ein Auto hätte, würde ich mir das sogar überlegen, aber das wäre ein ziemlich großer Aufwand mit der Bahn, es sind ja wenigstens 20 Kilometer Entfernung zwischen hier und unserer neuen Wohnung.»

«Ein Auto habe ich doch, ich meine nicht ich, aber das von Patrick steht doch in der Garage und du kannst es gerne haben.»

Selda, war einerseits gerührt über das Angebot ihrer Schwiegermutter, mochte sich so schnell aber nicht zu einer weiteren Änderung ihres bisherigen Lebens entschließen. Es kam ihr deshalb ganz gelegen, dass die Haustür ging und kurz darauf Herbert hereinkam.

«Na ihr Tomaten», begrüßte er frohgelaunt seine Kinder und setzte sich dann direkt neben Selda auf das Sofa.

«Möchtest Du auch Kaffee?», fragte Regina, etwas irritiert über die unpassende Unterbrechung.

«Ja Mutter, gerne!»

Herbert wollte gerade den Arm hinter den Rücken von Selda auf die Sofakante legen, als diese, selber erstaunt über ihre schroffe Reaktion, schnell, soweit der wenige Platz dazu überhaupt die Möglichkeit bot, zur Seite rückte und Herbert schräg ansehend die Worte: «Komm mir bitte nicht zu nah, du weißt, dass ich das nicht mag.», entgegenschleuderte.

«Ja, ja, ist ja schon gut, ich freu mich doch auch, dich wiederzusehen.»

«Das kannst du auch in angemessener Entfernung.»

Regina sah betroffen drein und wusste zuerst gar nicht, was sie jetzt sagen sollte. «Ach, bitte vertragt euch, allein schon wegen der Kinder.», äußerte sie dann aber doch.

«Und, wie gefällt euch euer neues Zuhause?», sprach Herbert seinen Sohn an. «Gehst du schon wieder zur Schule?»

«Nein, es sind doch Ferien. Aber ich bekomme vielleicht einen Hund.»

«Also, Mathias rief Selda ganz aufgeregt, «wie kommst du denn auf so etwas, weshalb sagst du das? Wir haben darüber noch nie gesprochen.»

«Aber die Nachbarn haben sogar zwei.»

«Wenn du einen Hund willst, dann bekommst du ihn auch», bestätigte Herbert, sich über die Entrüstung von Selda hinwegsetzend.

«Herbert, also wirklich, wer soll sich denn um einen Hund kümmern? Mathias wird zur Schule müssen und Patrizia in gut einem Jahr ebenfalls. So einen Hund habe ich doch nachher alleine am Hals.»

«Aber der Papa kann euch doch besuchen und mit dem Wauwie Gassi gehen.», setzte Herbert nach.

«Sag mal, hast du was getrunken?», sah Selda ihn immer mehr staunend an.

«Ja, aber nur ein Bier.»

«Da ist noch nicht das letzte Wort gesprochen, komm mir bloss nicht ungefragt mit so einem kleinen hilflosen Tier ins Haus!»

Regina hatte zuletzt nur noch betreten zum Boden geschaut. «Das Herbert auch immer so ein Theater machen musste.» Sie ärgerte sich maßlos.

Erst am nächsten Tag war wieder Frieden eingekehrt, Herbert hatte früh das Haus verlassen und es hatte sich bestätigt, dass Regina ihre Schwiegertochter und die Kinder nicht am selben Tag wieder nach Hause fahren lassen würde.

«Ihr versäumt doch nichts.», hatte sie gesagt und damit war die Sache erledigt gewesen. Schon während des Frühstücks begann sie das am Tag zuvor so jäh unterbrochene Thema erneut. «Dass du das Auto haben kannst, habe ich durchaus ernst gemeint und für deine Arbeit kann ich dir sogar einen Lohn zahlen. Ich bin gut versorgt und außerdem brauche ich alleine auch gar nicht mehr so viel.»

«Ja Mutter, das weiß ich und ich finde dein Angebot auch sehr großzügig, auch wenn es mich – sagen wir – überrascht hat. Ich muss mir das überlegen. Wir sind ja noch gar nicht richtig angekommen in Fischbach. Was ich dir aber jetzt schon sagen kann ist, dass wir viel öfters kommen werden als sonst, für Besuche ist es dann doch nur noch ein Katzensprung.»

«Ich habe aber keine Hintergedanken, das sage ich ganz freimütig, Herbert ist ein lieber Sohn, viel zu lieb eigentlich, aber geheiratet hätte ich den auch nicht.» Ein klein bisschen schnippisch lächelnd, setzte sie fort: «Das du es dir überlegen musst, dafür habe ich Verständnis. Und mit Herbert werde ich wohl ein Wörtchen reden müssen.»

«Nein, das musst du nicht, aber wenn du die Möglichkeit hast, halte ihn bitte davon ab, uns ungefragt ein Tier ins Haus zu bringen. Ich bin da grundsätzlich gar nicht so abgeneigt, aber wir müssen sehen, ob das bei uns passen würde.»

«Ich kann ja nicht Haushälterin bei meinem geschiedenen Mann sein», hatte Selda die ganze Zeit gedacht und gleichzeitig überlegt, was eigentlich dagegenspräche. Die ganze Situation war ja auch ohne dies schon recht ungewöhnlich.

Als sie am zweiten Ostertag alle wieder zuhause waren, klingelte am frühen Abend das Telefon und Selda freute sich, Gieselas Stimme wiederzuhören.

«Wie waren denn die ersten Tage in eurem neuen Haus.», fragte Giesela ohne Umschweife.

«Du, wir sind erst ein paar Stunden wieder da, wir waren über Ostern doch bei meiner Schwiegermutter.»

«Und, war dein Herbert auch da?»

«Ja, aber er ist nicht mein Herbert, schon lange nicht mehr!»

«Nein, war ja auch nur Spaß.»

«Aber ich bin ganz froh, dass du anrufst, es ist mir nämlich was Komisches passiert und ich bin ganz unentschlossen.»

«Was denn, hast du jemanden kennengelernt oder hast Du ein Stellenangebot?»

«Eher letzteres, meine Schwiegermutter hat mich gefragt, ob ich ihr nicht helfen will. Gegen Bezahlung natürlich und das Auto von ihrem verstorbenen Mann könnte ich auch bekommen.»

«Ja, warum nicht, aber was ist mit dem Herbert, wohnt der bei seiner Mutter?»

«Ich bin mir da nicht sicher, aber ich glaube wohl. Jedenfalls ist er regelmäßig zum Essen dort und er hat da auch noch ein Zimmer.»

«Dachte ich mir. … Selda, weißt Du was? Lass es! Das wird nie gut gehen, wenn du dort den Haushalt versorgen sollst und der Herbert da auch noch umher wuselt, auch wenn du das zuerst für deine Schwiegermutter tun würdest.»

«Nein, aber wie soll ich ihr das sagen?»

«Ganz einfach, sag die Wahrheit, die Frau ist doch nicht dumm.»

«Nein, das ist sie ganz sicher nicht. Und wie geht es euch?», fragte Selda nach einer Pause.

«Alles gut, ich bin froh, dass ich ein paar Tage frei habe und Werner muss auch erst nächste Woche wieder zur Arbeit. Wir lassen es uns gutgehen. Vielleicht können wir uns ja nochmal treffen, ich meine, wenn du zur Ruhe gekommen bist. Wenn wir erst wieder arbeiten, wird das ja sonst so schnell doch nichts.»

«Ja, das wäre schön, dann können wir ja auch nochmal über alles reden.»

Ganz in Gedanken hatte Selda aufgelegt. «Was denke ich bloß so lange darüber nach, ich will es ja in Wirklichkeit gar nicht machen.»

Sie nahm das Buch zur Hand, dass ihr die Schwiegermutter mitgegeben hatte und setzte sich an den Küchentisch. Das war auch in der neuen Wohnung schon ihr Lieblingsplatz geworden. Nachdenklich betrachtete sie die alten Geranien, die nun in Fischbach auf den Sommer warteten. Jetzt endlich hatten sie neue Erde bekommen und waren viel grüner als zuvor in der alten Wohnung. Die Kinder waren in ihren Zimmern. Nur von Patrizia drangen manchmal Laute herein. «Sie spricht mit ihrer Puppe», dachte Selda.

«Kontakt zum Jenseits», stand auf dem Buchdeckel und Selda begann interessiert zu lesen, überschlug aber bald den etwas breit gefassten geschichtlichen Hintergrund und suchte nach Beispielen für das, was sie damals im Haus von Regina miterlebt hatte. Es gab viele ähnliche Geschichten und alle waren völlig ernsthaft und ohne Fragen nach dem Wahrheitsgehalt dargestellt. «Muss ja wohl wirklich was dran sein.», dachte Selda als sie plötzlich durch ein merkwürdiges, ratterndes Geräusch aus ihren Gedanken geholt wurde. «Was war das gewesen? Es war aus dem Wohnzimmer gekommen. Die Tür war nur angelehnt und drinnen war es dunkel. Sie hatte sich dermaßen erschrocken, dass sie ganz vorsichtig die Tür öffnete und mit der linken Hand den Lichtschalter suchte. Als sie ihn nicht gleich fand, ging ihr ein kalter Schauer vom Nacken aus über den Rücken. Es erschien ihr fast so, als wenn das Licht etwas Zeit gebraucht hätte, bis das Zimmer ganz erleuchtet war. Unten an der Schwarzwalduhr hing das Gewicht für das Schlagwerk fast ganz am Boden und zappelte wie ein Fisch an der Angel. «Hatte sie die Uhr nicht erst noch aufgezogen, als sie aus Bad Homburg zurück gewesen waren?»

«Was ist denn Mutter?», rief Mathias von der Tür seines Zimmers aus. «Ist etwas passiert?»

«Nein, aber sieh dir bitte mal die Uhr an!»

«Komme gleich!»

Behände zog Mathias einen Stuhl hervor und zeigte auf die Unterseite der...