Einleitung
»Der Ort, von dem aus man it-Tieqa tad-Dwejra sehen konnte. Herzzerreißend«, twitterte der maltesische Präsident Joseph Muscat am 8.3.2017.
Das Fenster von Dwejra war zusammengebrochen. Ziemlich sicher haben Sie es schon gesehen, vielleicht in der SerieGame of Thrones. Auch bekannt als das Azure Window auf Maltas Schwesterinsel Gozo: ein natürliches Steintor an der zerklüfteten Küste über dem azurblauen Mittelmeer.
Entstanden ist es ebenfalls durch einen Einsturz: durch den Zusammenbruch einer Höhlenstruktur. Die Westseite Gozos ist windig, den häufigen Nordweststürmen schutzlos ausgesetzt. Unruhige See setzt dem Korallen- und Globigerinenkalk der gesamten Steilküste zu. Die Erosion, die vermutlich auch das benachbarte Blue Hole, eine eingestürzte Höhle unter Wasser, schuf, schritt am Azure Window fast von Jahr zu Jahr erkennbar voran. Schon 2012 war ein Teil des Tors abgebrochen, Ende 2016 wieder ein Stück. Möglich, dass auch die von der Filmkulisse angelockten Touristen zum vorzeitigen Ende beigetragen haben.
Als eines der Wahrzeichen und eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten des maltesischen Archipels schmückte es das Cover von Reiseführern, Werbeplakate und Zeitungsaufmacher: Überbleibsel und Symbol einer Landbrücke zwischen Afrika und Europa, die bis vor rund 13000 Jahren bestand und zu der einst das gesamte maltesische Archipel gehörte. Eine Brückenrolle zwischen den Kontinenten, die noch heute für Malta charakteristisch ist. Nun existiert es nicht mehr.
Am 8. März 2017 fegten orkanartige Stürme über Süditalien und Malta. Selbst der Fährverkehr zwischen Malta und Gozo musste teilweise eingestellt werden. Um 9.40 Uhr gab der Felsbogen plötzlich nach, stürzte mit einem lauten Krachen ins Meer. Nur noch ein vorgelagerter Felsen verriet, dass hier bis vor wenigen Sekunden eine weltbekannte Filmkulisse gestanden hatte, geformt in Jahrtausenden.
Obwohl der fragile Zustand des Tors allgemein bekannt war, hatte kaum jemand mit einem so schnellen Ende gerechnet. »Verwaist« fühlten sich nach Auskunft derTimes of Malta die Bewohner der umliegenden Orte und mit ihnen viele andere Gozitaner und Malteser. Mir ging es wie ihnen. Seit meinem ersten Besuch auf Malta kannte ich das Azure Window, und das ist eine lange Zeit. Ich war ein halbes Kind, als ich das erste Mal auf dem Felsbogen stand und mir der raue Seewind durchs Haar fegte. Er war so lange da gewesen, vielleicht schon zur Zeit der Megalithkultur, auf jeden Fall aber als die Johanniterritter sich auf Malta niederließen. Hatte die Zeit von Queen Victoria erlebt und den Zweiten Weltkrieg überstanden. Natürlich hatte ich gedacht, er würde noch da sein, lange nachdem ich nicht mehr da bin. Er schien mir unsterblich. Aber die Zeit ist manchmal kapriziös, und das Wasser formt die schroffen Küsten der Inseln immer neu.
Ich bin eine Meereskreatur – Wasser formte mich.
Mal schläfert es mich ein, mal weckt es mich.
Wellen tanzen wie Flammen von Feuer.
Doch Wellen kommen und gehen,
Feuer geht nicht.
So die zeitgenössische maltesische Dichterin Simone Inguanez in ihrem GedichtNymphe.
Indes geht das Leben weiter, und im Umgang mit den alltäglichen und weniger alltäglichen Katastrophen des Lebens sind die Malteser ohnehin Meister. Schon ein