: Richard Ford
: Eifersüchtig
: Hanser Berlin
: 9783446255265
: 1
: CHF 6.40
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 96
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Larry lebt gemeinsam mit seinem Vater ein eintöniges Leben in Montana - bis eines Tages Doris, die Schwester seiner Mutter, mitsamt ihrem rosa Cadillac vor der Tür steht. Gemeinsam brechen Tante und Neffe zu einer langen Reise in Richtung Seattle auf. Dort lebt Larrys Mutter, die ihn und den Vater vor einiger Zeit verlassen hat. In der Eisenbahnerstadt Shelby geraten sie in eine Schießerei, die jemanden das Leben kostet. Beklemmend klar beschreibt Richard Ford den Zerfall einer Familie und erinnert daran, welche Spuren Menschen in den Leben anderer hinterlassen können.

Richard Ford wurde 1944 in Jackson, Mississippi, geboren und lebt heute in Maine. Er hat acht Romane sowie Novellen, Kurzgeschichten und Essays veröffentlicht. 1996 erhielt er für Unabhängigkeitstag sowohl den Pulitzer Prize als auch den PEN/ Faulkner Award.

In den letzten Tagen, während ich bei meinem Vater in seinem Haus unterhalb des Teton-Flusses lebte, las er mir vor. Nach der Arbeit am Küchentisch sitzend oder frühmorgens, während ich mich vor ihm am Ofen anzog, las er mir laut aus den Regionalzeitungen von Havre und Conrad vor oder aus Zeitschriften –Life undGeographic – oder aus alten Schulbüchern, die mit Kordel zusammengebunden und von irgendwelchen vorangegangenen, unbekannten Familien in den Nebenräumen unseres Hauses hinterlassen worden waren, Familien, die Dinge zurückließen, die sie nicht mitnehmen konnten.

Wir waren dort allein. Es waren die Monate, nachdem meine Mutter uns das erste Mal verlassen hatte, und wir lebten seit Anfang des Schuljahrs außerhalb Duttons. Meine Mutter war im Sommer gegangen, am Ende einer langen Zeit des Streitens zwischen den beiden, und beinahe sofort danach kündigte mein Vater seinen Job in Great Falls und zog mit mir in ein kleines Haus außerhalb Duttons, wo er sein Geld mit der Reparatur von Landmaschinen verdiente. Er hatte immer gern ein wenig getrunken, meine Mutter auch, und sie hatten Freunde gehabt, die tranken. Aber in Dutton hörte er ganz damit auf, hatte keinen Whiskey mehr im Haus, und er arbeitete bis abends in der Stadt und trainierte dann seine Vorstehhunde, und so sah unser Leben aus.

Natürlich kann es sein, daß er auf irgendein wichtiges Ereignis wartete, darauf, daß ihn plötzlich irgendeine Nachricht erreichte – ein Zeichen. Vielleicht wartete er, wie man so sagt, darauf, daß ihn der Blitz träfe, und er wollte an irgendeinem Ort und in der richtigen geistigen Verfassung sein, um eine klare Entscheidung zu treffen, wenn der Augenblick käme. Es kann sein, daß er mir vorlas, um mir damit zu sagen – »Wir wissen nicht alles, was es zu wissen gibt, Larry. Es gibt mehr Ordnung im Leben und mehr zu lernen, als es scheint. Wir müssen jetzt besser aufpassen.« Es war einfach eine andere Art zu sagen, daß er ratlos war. Er war einundvierzig, und er war sein Leben lang verheiratet gewesen, und er hatte einen Sohn, und all das schien jetzt schnell zu verschwinden. Er war nie ein Mann gewesen, der einfach nur dastand und zusah, wie die Ereignisse ihn niederzwangen. Er war ein Mann, der handelte, ein Mann, dem es wichtig war, das Richtige zu tun. Und ich wußte selbst an jenem Tag, an