: Markus Gabriel
: Antike und moderne Skepsis zur Einführung
: Junius Verlag
: 9783960600008
: 1
: CHF 10.90
:
: Philosophie
: German
: 184
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Skepsis ist die Bezeichnung für eine philosophische Haltung, die grundsätzlich infrage stellt, dass wir überhaupt irgendetwas wissen können. Trotz der Erfolge der modernen Naturwissenschaften kehrt diese Frage in der gegenwärtigen Philosophie wieder. Denn es ist gerade die Wissenschaft, die uns lehrt, dass die Welt anders ist, als sie uns erscheint. Daher stellt sich für einen Skeptiker die Frage, ob sie nicht auch anders sein könnte, als sie der Wissenschaft erscheint. Diese Frage führt auf den Unterschied von Sein und Schein, von dem die antike Skepsis ihren Ausgang nimmt und der in der modernen Skepsis wiederkehrt. Allerdings besteht die Skepsis nicht nur aus kritischen Rückfragen an Wissensansprüche, sondern auch in einer Lebensform. Wenn wir nichts wissen können, was sollen wir dann tun? Auch diese Frage muss thematisieren, wer sich der Skepsis stellt.

Markus Gabriel ist Professor für Philosophie an der Universität Bonn.

2. Das Traumargument bei Platon und das skeptische Problem der Aparallaxie


Die erste explizite Formulierung eines epistemologischen Traumarguments findet sich in Platons DialogTheaitetos (Tht. 157e1-158d10), der als die Urschrift der Erkenntnistheorie gelten kann. Damit sind entscheidende Weichen für die weitere Entwicklung der Skepsis gestellt. In diesem Dialog wird nämlich die Frage erörtert, was Wissen eigentlich sei. Platon antizipiert hier eine Vielzahl erkenntnistheoretischer Positionen, die erst im 19. und 20. Jahrhundert philosophisch detailliert entwickelt worden sind. Die tragische Dimension des Wissens und der Differenz von Sein und Schein tritt dabei in den Hintergrund, obwohl man bei genauerem Hinsehen in der literarischen Komposition des Dialogs Spuren der existenziellen Dimension der Frage nach dem wirklichen Sein finden wird.

ImTheaitetos werden nacheinander drei Definitionen von ›Wissen‹ diskutiert und widerlegt. Platons Traumargument findet sich dabei im ersten Teil des Dialogs, in dem die Definition von Wissen als Wahrnehmung diskutiert und ad absurdum geführt wird. Das Traumargument dient in diesem Zusammenhang nicht, wie später bei Descartes, dazu, die Wahrnehmung als Quelle von Wissen insgesamt infrage zu stellen und ein irrtumsimmunes Fundament des Wissens zu suchen. Freilich ist Platon weit davon entfernt, empirisches Wissen überhaupt als Wissen sensu stricto gelten zu lassen. Das Traumargument richtet sich bei Platon genau besehen gegen die Identifikation von Wahrnehmung und Wissen, der zufolgenur Wahrnehmung Wissen ist. Es gehört somit in den Kontext einer Kritik des radikalen Sensualismus, der behauptet, dassalles Wissen Wahrne