I. Die englischen Klassiker in ihrer Zeit
1. Wen wir zu den englischen Klassikern rechnen
Als Vertreter der englischen Klassik sind Adam Smith, Thomas Robert Malthus, David Ricardo und John Stuart Mill ausgewählt worden. Für diese Auswahl sprechen zwei Gründe: Der begrenzte Raum zwingt zur Konzentration auf Leitfiguren; der Aufstieg der Nationalökonomie zur Wissenschaft begann mit Adam Smiths »Wealth of Nations« und fand seinen Abschluss in John Stuart Mills »Principles of Political Economy«. Vorläufer und Zeitgenossen wie David Hume und Nassau W. Senior sind einbezogen, wenn sie Grundlegendes zum Ideengut der Klassiker beitrugen.
Im Folgenden skizzieren wir Lebenslauf und Lebensumstände der Klassiker und das, was sie ihren Zeitgenossen sagen wollten. Sie sollen dadurch für den Leser Profil gewinnen und diesen so für ihre Botschaft aufschließen. Aus Raumgründen wird nur Smiths Leben und Werk ausführlicher gewürdigt.
Die Klassiker waren ein »buntes Völkchen«:
• Adam Smith lehrte an den Universitäten Edinburgh und Glasgow, war Reisebegleiter des Herzogs von Buccleuch; die danach gewährte Rente ermöglichte Smith, die Fron des Hochschullehrers abzuwerfen und sich ganz der Fertigstellung des »Wohlstands« zu widmen; den Lebensabend verbrachte er als Nutznießer einer Sinekure;1
• Thomas Robert Malthus war Pfarrer, schrieb einen provozierenden Essay zur Bevölkerungsentwicklung, kam so zur Nationalökonomie und wurde auf einen Lehrstuhl für Geschichte und Nationalökonomie berufen; damit war er der erste »professionelle« Nationalökonom, d. h. der erste, der von der Nationalökonomie lebte;
• sein sieben Jahre jüngerer Freund und Widerpart, David Ricardo, Sohn jüdischer Einwanderer aus Holland, verdiente sich seine ersten Sporen und sein Vermögen an der Börse, betrieb nationalökonomische Studien, nachdem er sich zur Ruhe gesetzt hatte; im britischen Unterhaus war er ein allseits anerkannter Sachverständiger;
• John Stuart Mill, Sohn des mit Ricardo befreundeten James Mill und Opfer dessen pädagogischer Experimentierwut, war leitender Mitarbeiter in der Verwaltung der East India Company; er steuerte neben seiner nationalökonomischen Forschung auf den Gebieten der Logik, Soziologie, Sozialphilosophie und der Staatslehre wegweisende Arbeiten bei; er liebäugelte mit sozialistischen Ideen; seinem Gastspiel im britischen Unterhaus war kein Glück beschieden.
Die Klassiker hatten auch eine unterschiedliche politische Heimat2: David Hume, der wichtigste Wegbereiter, war ein Tory (Konservativer); Adam Smith und Thomas Robert Malthus waren Whigs (Liberale); Ricardo und John Stuart Mill fühlten sich den »Philosophical Radicals« verbunden, einem literarischen Kreis um Jeremy Bentham.3 Die Klassiker verband jedoch ein gemeinsames Interesse an wirtschaftlicher Reform, das sich nicht so sehr in gemeinschaftlicher Unterstützung bestimmter Maßnahmen äußerte, sondern stärker in dem Glauben, dass die Anwendung gewisser Methoden der jüngst entdeckten Wissenschaft, der Politischen Ökonomie, berechtigtere Hoffnungen böte für das, was sie Besserung genannt haben würden.4 Sie teilten auch die Auffassung, dass es nicht Aufgabe der staatlichen Obrigkeit sei, für gesellschaftliche Harmonie zu sorgen. Sie vertraten jedoch keinen »Laissez-faire«-Standpunkt;5 sie hielten es für die Gesellschaft insgesamt für vorteilhaft, es dem Menschen innerhalb eines kunstvollen institutionellen Geflechts, das sich im Zeitverlauf für die einzelnen Gesellschaftsmitglieder und für die Gesellschaft insgesamt als vorteilhaft herauskristallisiert habe, freizustellen, ihren eigenen Interessen nachzugehen. Innerhalb dieses Rahmens blieb der jeweiligen Regierung genug zu tun.
2. Smiths frohe Botschaft: Ihr könnt es schaffen!
a) Lebenslauf und Einflüsse
Joseph Schumpeter hat den Nationalökonomen Adam Smith nicht gemocht. Adam Smiths Hauptwerk, der »Wealth of Nations«6, enthielt nach seiner Meinung kein einziges neues analytisches Element.7 In der Tat fand Smith die Bausteine für sein System vor. Aber niemand, der den »Wohlstand« vorurteilsfrei auf sich wirken lässt, wird leugnen, dass hier eine neue Melodie erklingt. Jeder Komponist bedient sich a