: Markus Gabriel
: Ich ist nicht Gehirn Philosophie des Geistes für das 21. Jahrhundert
: Ullstein
: 9783843711784
: 1
: CHF 8.10
:
: Philosophie
: German
: 352
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Gibt es die menschliche Freiheit? Ist unsere gesamte Lebensform nur eine Illusion? Reicht das Vorhandensein eines Gehirns, um ein geistiges Lebewesen zu sein? Von den Naturwissenschaften ausgehend hat sich in den letzten Jahren ein Neurozentrismus herausgebildet, der auf der Annahme basiert, dass Ich gleich Gehirn ist. Markus Gabriel hingegen hegt begründete Zweifel, dass wir uns auf diese Weise selbst erkennen können. Er greift das wissenschaftliche Weltbild an und lädt ein zur Selbstreflexion anhand zentraler Begriffe wie Ich, Bewusstsein oder Freiheit mit Hilfe von Kant, Schopenhauer und Nagel, aber auch Dr. Who, The Walking Dead und Fargo. Mit seinem leidenschaftlichen Plädoyer gegen den Neurozentrismus stellt Markus Gabriel eine neue Verteidigung des freien Willens vor und gibt eine zeitgemäße Anleitung zum philosophischen Nachdenken über uns selbst - mit Verve, Humor und blitz-gescheiten Erkenntnissen.

Markus Gabriel, geboren 1980, studierte in Bonn, Heidelberg, Lissabon und New York. Seit 2009 hat er den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie. Er ist Direktor des interdisziplinären Center for Science and Thought und regelmäßiger Gastprofessor an der Sorbonne (Paris 1) sowie der New School for Social Research in New York City.  

Einleitung


Wir sind wach und damit bei Bewusstsein, wir machen uns Gedanken, haben Gefühle, Ängste und Hoffnungen; wir sprechen miteinander, gründen Staaten, wählen Parteien, betreiben Wissenschaft, produzieren Kunstwerke, verlieben uns, täuschen uns und sind imstande zu wissen, was der Fall ist. Kurzum: Wir Menschen sind geistige Lebewesen. Dank der Neurowissenschaften wissen wir teilweise, welche Gehirnareale aktiv sind, wenn man uns etwa Bilder zeigt oder dazu bewegt, an etwas Bestimmtes zu denken. Wir wissen auch einiges über die Neurochemie emotionaler Zustände und Störungen. Doch steuert die Neurochemie unseres Gehirns am Ende unser gesamtes geistiges, bewusstes Leben und Verhalten? Ist unser bewusstes Ich sozusagen nur die Benutzeroberfläche unseres Gehirns, die in Wirklichkeit zu unserem Verhalten gar nichts beiträgt, sondern diesem nur wie ein Zuschauer beiwohnt? Ist unser bewusstes Leben also nur eine Bühne, auf der ein Stück vorgeführt wird, in das wir gar nicht wirklich, das heißt frei und bewusst eingreifen könnten?

Der scheinbar so selbstverständliche Umstand, dass wir geistige Lebewesen sind, die ein bewusstes Leben führen, wirft unzählige Rätsel auf. Mit diesen Rätseln beschäftigt sich die Philosophie seit Jahrtausenden. Der Zweig der Philosophie, der sich mit uns Menschen als geistigen Lebewesen beschäftigt, heißt heutzutagePhilosophie des Geistes. Diese werden wir hier näher betrachten. Sie ist heute relevanter als je zuvor.

Viele halten die Natur des Bewusstseins für eines der letzten großen ungelösten Rätsel. Warum sollte in irgendeinem Naturprodukt überhaupt sozusagen das Licht angehen? Und wie hängt das Neuronengewitter unter unserer Schädeldecke mit unserem Bewusstsein zusammen? Fragen wie diese werden in Teildisziplinen der Philosophie des Geistes, nämlich in derBewusstseins- undNeurophilosophie behandelt.

Es geht hier also um uns selber. Zunächst stelle ich einige Hauptüberlegungen der Philosophie des Geistes anhand zentraler Begriffe dar, zu denen Bewusstsein, Selbstbewusstsein und Ich gehören. Von diesen ist viel die Rede, meist aber ohne Kenntnis der philosophischen Hintergründe, was zu Verwirrungen führt. Deswegen erläutere ich diese Hintergründe einmal möglichst voraussetzungsfrei. Denn sie bilden die Grundlage für die zweite Hauptabsicht dieses Buchs: die Verteidigung unserer Freiheit (unseres freien Willens) gegen die landläufige Vorstellung, irgendjemand oder irgendetwas würde uns hinter unserem Rücken unfrei machen – sei es Gott, das Universum, die Natur, das Gehirn oder die Gesellschaft. Wir sind durch und durch frei, weil wir geistige Lebewesen sind. Das bedeutet aber nicht, dass wir irgendwie nicht zum Tierreich gehören. Wir sind weder reine Genkopiermaschinen, denen ein Gehirn eingepflanzt ist, noch Engel, die sich in einen Körper verirrt haben, sondern tatsächlich die freien geistigen Lebewesen, für die wir uns seit Jahrtausenden halten und die auch politisch für ihre Freiheiten eintreten.

Materieteilchen und bewusste Organismen


Eine Herausforderung unserer Zeit liegt in der Verwissenschaftlichung des Menschenbildes. Wir wollen endlich objektives Wissen darüber erlangen, wer oder was der Mensch eigentlich ist. Allerdings steht der menschliche Geist dabei im Weg, da sich dieser bisher der naturwissenschaftlichen Erforschung entzieht. Um dieses Problem anzugehen, wird nun schon seit einigen Jahrzehnten versucht, die Neurowissenschaften als die Naturwissenschaften vom menschlichen Geist zu etablieren.

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