: Frank-Rutger Hausmann
: Ernst-Wilhelm Bohle. Gauleiter im Dienst von Partei und Staat.
: Duncker& Humblot GmbH
: 9783428528622
: Zeitgeschichtliche Forschungen
: 1
: CHF 36.70
:
: 20. Jahrhundert (bis 1945)
: German
: 299
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
Ernst Wilhelm Bohle (1903-1960) wurde 1933 mit 30 Jahren der jüngste Gauleiter der NSDAP und war von 1938 bis 1941 als Staatssekretär im Auswärtigen Amt (AA) tätig. Die Geschichtswissenschaft beschäftigte sich mit ihm bisher nur am Rande und richtete ihr Augenmerk vor allem auf seinen Anteil am Aufbau der von ihm von 1933 bis 1945 geleiteten Auslandsorganisation der NSDAP (AO) und ihre weltweite Propagandaarbeit. Die vorliegende Biographie ist Verlaufsgeschichte und reflexiver Akt zugleich. Auf der Grundlage umfangreicher Archivstudien widmet sich Frank-Rutger Hausmann erstmals Bohles Elternhaus, betrachtet die in Südafrika verlebte Jugend, sein Studium und seine Berufstätigkeit. Er stellt Bohles enges Verhältnis zu Rudolf Heß dar sowie seine Spannungen mit Reichsaußenminister von Ribbentrop, seine Reise- und Rednertätigkeit im Dienst der Partei, seine Beziehungen zu Goebbels, Himmler und Ley sowie die in Nürnberg, Landsberg und diversen US-amerikanischen Internierungscamps verbrachte Haftzeit vor und nach dem Nürnberger bzw. dem Wilhelmstraßen-Prozeß. Hausmann schließt mit der Beschreibung Bohles letzter Lebensjahre in Hamburg - in diesen Zeitraum fallen seine Entnazifizierung und seine Tätigkeit als »Werbeberater für den englischen Sprachbereich« für mehrere überregionale Industrieunternehmen. Wie andere im Ausland aufgewachsene NS-Führer war Bohle ein Vertreter des nationalkonservativen Auslandsdeutschtums. Allerdings machte ihn die britische Erziehung, die er in Kapstadt genossen hatte, besonders geschmeidig. Die im Kontakt mit drei Kulturen - der deutschen, britischen und südafrikanischen - erworbene Weltläufigkeit prädestinierte ihn zum Diplomaten. Später übte er als Gauleiter der AO und Staatssekretär im AA eine wichtige Doppelfunktion aus. Wenngleich Bohle »liberaler« als die meisten anderen Gauleiter agierte, darf man seine nationalsozialistische Grundeinstellung nicht unterschätzen. Er war ehrgeizig und baute die AO zu einer Behörde mit über 800 Mitarbeitern aus, die bis zum Ende des »Dritten Reiches« höchst effektiv arbeitete.
III. Der Wilhelmstraßen-Prozeß(S. 196-197)

1. Zeuge der Anklage im Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß Hitlers Selbstmord am 30. April 1945 bedeutete nicht zugleich auch das Ende des ,Dritten Reichs‘. Der ,Führer‘ hatte Großadmiral Karl Dönitz testamentarisch zu seinem Nachfolger als Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Wehrmacht bestimmt. Dieser hatte sich mit den noch verbliebenen Spitzen des NS-Staates aus dem völlig zerbombten und von Russen eingekesselten Berlin nach Flensburg geflüchtet und amtierte dortüber die Kapitulation vom 8. Mai hinaus bis zum 23. desselben Monats.

Albert Speer hat als Augenzeugeüber die Aktivitäten dieser letzten Reichsregierung berichtet, die noch ganz den Vorstellungen des nationalsozialistischen Regimes verhaftet gewesen sei und mit ihren Formen und Zeremonien etwas Tragikomisches gehabt habe. Dönitz habe allerdings vernünftigerweise seine Aufgabe darin gesehen, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden und dann die Regierung aufzulösen. Nach der Kapitulation ließen die Briten und Amerikaner die Regierungsmitglieder noch eine Zeitlang gewähren, so als ob sie unschlüssig seien, was mit ihnen zu geschehen habe.

Erst am 23. Mai wurden Dönitz, die Minister seiner Geschäftsführenden Reichsregierung sowie des Oberkommandos der Wehrmacht samt ihren Stäben von den Briten verhaftet, den Amerikanernübergeben und vorübergehend im luxemburgischen Kurort Mondorf-les-Bains (Bad Mondorf) im heute nicht mehr bestehenden„Palace Hôtel“ interniert, um im August ins Nürnberger Gerichtsgefängnisüberführt zu werden.

1 Das Mondorfer Hotel unterstand der Befehlsgewalt des bewußt militärisch auftretenden Obersten Burton C. Andrus, der ab August auch als Gefängniskommandant in Nürnberg fungierte.2 Er lief mit einer Reitgerte unter dem Arm herum und sagte einem Besucher, er halte alle Gefangenen für verrückt. Laut einem amerikanischen Ermittlerteam verstand er es meisterhaft,„wie man die ,Arschl. . .‘ auf Vordermann hält“, und sorgte dafür,„dass sie uns die Antworten gaben, die wir hören wollten“.

An besagtem 23. Mai wurde auch Ernst Wilhem Bohle festgenommen, der bis zum Schluß Optimismus verbreitet und seinen Glauben an den Endsieg verkündet hatte.4 In Wirklichkeit ahnte er schon seit längerem, daß der Krieg verloren und damit auch seine Karriere beendet war. Am 14. April 1945 hatte er Berlin in Richtung Bad Schandau verlassen. Zuvor hatte er die von Bormann stammende Anweisung weitergegeben, die in Berlin befindlichen Akten der AO zu vernichten.5 Seine persönlichen Unterlagen hatte er Erich Schnaus6 und Theodor Leonhardt7 ausgehändigt, die sie nach Schloß Rothenhaus (heute: C? erveny Hrádek) bei Görkau nahe Komotau im Erzgebirge (heute: Chomutov) verbrachten, das den Fürsten Hohenlohe-Langenburg gehörte.
Vorwort6
Inhalt16
Verzeichnis der Abkürzungen17
I. Herkunft und Jugend22
1. „Sippe“ und Familie22
2. Jugend in Südafrika, Studium und erste Berufstätigkeit40
II. Im Dienst von Partei und Staat54
1. Abteilungsleiter oder Gauleiter?54
2. Der Schützling von Rudolf Heß65
3. Der Theoretiker der Auslandsorganisation der NSDAP70
4. Reichsdeutsche und Volksdeutsche77
5. Übersiedelung nach Berlin88
6. Die einzelnen Landesgruppen der Auslandsorganisation98
7. Das Amt Seefahrt109
8. Die Festigung der Auslandsorganisation112
9. Die Reichstagungen der Auslandsorganisation121
10. Staatssekretär im Auswärtigen Amt und „Nebenaußenminister“134
11. Vom „Anschluß“ zur „Reichskristallnacht“ – das Jahr 1938154
12. In Ungnade164
13. Zusammenarbeit mit Himmler und Goebbels177
14. Auslandsreisen im Krieg188
III. Der Wilhelmstraßen - Prozeß197
1. Zeuge der Anklage im Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß197
2. Wilhelmstraßen-Prozeß und Verurteilung213
3. Landsberg und die vorzeitige Freilassung232
4. Exkurs: Heinrich Bohle238
IV. Der mühsame Neuanfang246
1. Werbeberater in Hamburg246
2. Ein früher Tod259
Anhang262
E. W. Bohle: Why Germany Failed Reflections of a German from abroad (ca. 1946/1947) 262
Quellen- und Literaturverzeichnis272
Quellen272
Ungedruckte Quellen272
Gedruckte zeitnahe Quellen277
Mehrfach zitierte Literatur280
Abbildungsnachweis289
Namenregister290